3D-Mikroskopieren ohne Strahlenschäden
Neuartiges Gitter-Lichtscheiben-Mikroskop minimiert Belichtungsschäden bei hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung.
Es sind spannende Zeiten für Mikroskop-Entwickler. Erst kürzlich hat das Stockholmer Nobelpreiskomitee den Deutschen Stefan Hell sowie die beiden US-Amerikaner Eric Betzig und William Moerner für die Erfindung höchstauflösender Fluoreszenzmikroskopie mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet. Diese Mikroskopietechniken, die im Grenzbereich zwischen Physik, Chemie und Biologie arbeiten, liefern früher für unmöglich scharf gehaltene Bilder von Zellvorgängen und haben sich deshalb als wichtige Instrumente etabliert. Doch viele zelluläre Prozesse sind auch für diese Techniken zu sensibel, zu schnell oder zu klein. So besteht häufig das Problem, dass die notwendige starke Belichtung bei scharfen und zeitlich hochaufgelösten Abbildungen die zellulären Prozesse stört, Proteine bleicht oder gar zerstört. Hierdurch kann eine Untersuchung sehr kleinteilig werden oder eine genaue Aufnahme unmöglich.
Abb.: Abb.: Strahlengang im Lattice Light Sheet Microscope (; Bild: Betzig Lab, HHMI)
Ein internationales Team von Forschern unter Leitung von Eric Betzig vom Howard Hughes Medical Institute hat deshalb ein neuartiges Lichtmikroskop entworfen, das vor allem die Belichtungsschäden an lebendigen Proben minimieren soll, wobei es jedoch immer noch hochaufgelöst und sehr schnell arbeitet. Die Idee hinter dem Gitter-Lichtscheiben-Mikroskop besteht darin, die Probe nicht wie üblich mit Gaußschen Lichtwellen zu beleuchten, sondern stattdessen Bessel-Strahlen zu benutzen. Diese ergeben sich als spezielle Lösungen der Wellengleichung und besitzen einige besondere Eigenschaften: einerseits einen „selbstheilenden“ Charakter, der die ursprüngliche Wellenform hinter einem Objekt wieder herstellt, andererseits sind sie nichtbeugend.
Das Gitter-Lichtscheiben-Mikroskop durchrastert die Probe in ultradünnen Submikrometer-Scheibchen, wodurch sich anschließend im Computer das Gesamtbild wieder zusammensetzen lässt. Als Ursprungsform für die Gitter wählten die Wissenschaftler quadratische oder hexagonale Bessel-Strahlen. Dabei waren quadratischen Formen besser geeignet, die Anregung auf die zentrale Ebene zu fokussieren, während der Vorteil der hexagonalen in einer besseren axialen Auflösung lag.
Die Bessel-Strahlen mit Wellenlängen zwischen 405 und 647 Nanometern Wellenlänge modulierten die Forscher mit einem sehr schnell schaltenden Flächenlichtmodulator und lenkten sie über eine ausgefeilte Optik auf die Probe. Dabei machten sich die Wissenschaftler das Prinzip der strukturierten Beleuchtung zunutze, mit dem sie umfangreiche Erfahrung besitzen. So rastert eine dünne Lichtebene mit speziellem Profil das Objekt ab, was nicht nur zu sehr hohen Auflösungen führt – wenngleich geringer als bei den mit dem Nobelpreis gekrönten Entwicklungen –, sondern auch hohe Geschwindigkeiten und eine geringe biologische Belastung durch das Licht ermöglicht. „Die größte Herausforderung war es, wie wir von den theoretisch bestimmten optimalen optischen Gittern für Lichtscheiben-Mikroskopie dahin kommen konnten, die Lichtscheiben wirklich im Mikroskop zu erzeugen“, schildert Betzig die Arbeit.
Um die Belichtungsschäden weiter zu minimieren, nutzten die Forscher nicht nur einen, sondern sieben einzeln modulierte Bessel-Strahlen, die sie jeweils nur über ein Siebtel der Strecke laufen ließen. Dadurch ließ sich die phototoxische Belastung der Probe deutlich weiter verringern. „Wie ich daraus gelernt habe, ist die absolute Lichtdosis für die Zelle zwar wichtig, aber noch entscheidender ist es, wie viel Energie die Zelle in einem bestimmten Augenblick abbekommt“, so der frischgebackene Nobelpreisträger.
Abb.: Eine T-Zelle (orange) nähert sich einer Zielzelle (blau). Nach 80 Sekunden findet der erste Kontakt statt, nach 200 Sekunden hat sich eine immunologische Synapse gebildet. Unten die T-Zelle in verschiedenen Orientierungen. (Bild: Betzig Lab, HHMI)
Das Gitter-Lichtscheiben-Mikroskop kann in zwei verschiedenen Betriebsmodi arbeiten. Der hochauflösende Modus kann bis auf 150 zu 280 Nanometern scharf stellen. Im schnelleren „dithered“-Modus müssen die Forscher ein wenig an Bildschärfe opfern; hier werden nur rund 230 auf 370 Nanometer Auflösung erreicht. Dafür ist dieser Modus deutlich schneller und erlaubt quasi dreidimensionale Filmaufnahmen von zellulären und subzellulären Vorgängen. Je nach untersuchtem Objekt gelangen dreidimensionale Aufnahmen im Sekundentakt oder sogar noch schneller. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieser schnelle Modus für die meisten biologischen Zwecke, bei denen es nicht auf die letzten Prozent an Bildschärfe ankommt, der bevorzugte Betriebsmodus sein wird.
Die Forscher haben ihr System an zwanzig verschiedenen biologischen Systemen getestet. Darunter waren so unterschiedliche wie die Entwicklung von Mikrotubuli bei der Zellteilung oder die Bildung immunologischer Synapsen bei T-Zellen oder auch die Embryonalentwicklung von Fadenwürmern und Fruchtfliegen. Mit dieser Technik lassen sich vor allem dank der niedrigen Phototoxizität dreidimensionale Filme von Prozessen machen, die bislang so nicht möglich waren.
Aber wie alle optischen Techniken unterliegt auch diese dem Problem, dass sich bei dickeren Gewebeschichten ab etwa 20 bis 100 Mikrometern die Streueffekte summieren. Hier könnten eventuell adaptive Optiken sowohl beim Anregungs- wie beim Detektionsstrahl eine gewisse Abhilfe schaffen.
Dirk Eidemüller
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