23.10.2014

3D-Mikroskopieren ohne Strahlenschäden

Neuartiges Gitter-Lichtscheiben-Mikroskop minimiert Belichtungsschäden bei hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung.

Es sind spannende Zeiten für Mikroskop-Entwickler. Erst kürzlich hat das Stock­holmer Nobel­preis­komitee den Deutschen Stefan Hell sowie die beiden US-Amerikaner Eric Betzig und William Moerner für die Erfindung höchst­auflö­sender Fluo­reszenz­mikro­skopie mit dem Chemie-Nobel­preis ausge­zeichnet. Diese Mikros­kopie­techniken, die im Grenz­bereich zwischen Physik, Chemie und Biologie arbeiten, liefern früher für unmöglich scharf gehaltene Bilder von Zell­vor­gängen und haben sich deshalb als wichtige Instru­mente etabliert. Doch viele zelluläre Prozesse sind auch für diese Techniken zu sensibel, zu schnell oder zu klein. So besteht häufig das Problem, dass die notwen­dige starke Belich­tung bei scharfen und zeitlich hoch­aufge­lösten Abbil­dungen die zellu­lären Prozesse stört, Proteine bleicht oder gar zerstört. Hierdurch kann eine Unter­suchung sehr klein­teilig werden oder eine genaue Auf­nahme unmöglich.

Abb.: Abb.: Strahlengang im Lattice Light Sheet Microscope (; Bild: Betzig Lab, HHMI)

Ein internationales Team von Forschern unter Leitung von Eric Betzig vom Howard Hughes Medical Institute hat deshalb ein neuartiges Licht­mikro­skop entworfen, das vor allem die Belich­tungs­schäden an lebendigen Proben mini­mieren soll, wobei es jedoch immer noch hoch­aufgelöst und sehr schnell arbeitet. Die Idee hinter dem Gitter-Licht­scheiben-Mikro­skop besteht darin, die Probe nicht wie üblich mit Gaußschen Licht­wellen zu beleuchten, sondern statt­dessen Bessel-Strahlen zu benutzen. Diese ergeben sich als spezielle Lösungen der Wellen­gleichung und besitzen einige besondere Eigen­schaften: einer­seits einen „selbst­heilenden“ Charakter, der die ursprüng­liche Wellen­form hinter einem Objekt wieder herstellt, anderer­seits sind sie nicht­beugend.

Das Gitter-Lichtscheiben-Mikroskop durch­rastert die Probe in ultra­dünnen Sub­mikro­meter-Scheibchen, wodurch sich anschließend im Computer das Gesamt­bild wieder zusammen­setzen lässt. Als Ursprungs­form für die Gitter wählten die Wissen­schaftler quadra­tische oder hexagonale Bessel-Strahlen. Dabei waren quadra­tischen Formen besser geeignet, die Anregung auf die zentrale Ebene zu fokussieren, während der Vorteil der hexago­nalen in einer besseren axialen Auflösung lag.

Die Bessel-Strahlen mit Wellen­längen zwischen 405 und 647 Nano­metern Wellen­länge modu­lierten die Forscher mit einem sehr schnell schaltenden Flächen­licht­modulator und lenkten sie über eine ausge­feilte Optik auf die Probe. Dabei machten sich die Wissen­schaftler das Prinzip der struktu­rierten Beleuch­tung zunutze, mit dem sie umfang­reiche Erfahrung besitzen. So rastert eine dünne Licht­ebene mit speziellem Profil das Objekt ab, was nicht nur zu sehr hohen Auflö­sungen führt – wenngleich geringer als bei den mit dem Nobel­preis gekrönten Entwicklungen –, sondern auch hohe Geschwin­dig­keiten und eine geringe biolo­gische Belastung durch das Licht ermöglicht. „Die größte Heraus­forderung war es, wie wir von den theore­tisch bestimmten optimalen optischen Gittern für Licht­scheiben-Mikro­skopie dahin kommen konnten, die Licht­scheiben wirklich im Mikro­skop zu erzeugen“, schildert Betzig die Arbeit.

Um die Belichtungs­schäden weiter zu minimieren, nutzten die Forscher nicht nur einen, sondern sieben einzeln modulierte Bessel-Strahlen, die sie jeweils nur über ein Siebtel der Strecke laufen ließen. Dadurch ließ sich die photo­toxische Belastung der Probe deutlich weiter verringern. „Wie ich daraus gelernt habe, ist die absolute Lichtdosis für die Zelle zwar wichtig, aber noch entschei­dender ist es, wie viel Energie die Zelle in einem bestimmten Augen­blick abbekommt“, so der frisch­gebackene Nobel­preis­träger.

Abb.: Eine T-Zelle (orange) nähert sich einer Zielzelle (blau). Nach 80 Sekunden findet der erste Kontakt statt, nach 200 Sekunden hat sich eine immunologische Synapse gebildet. Unten die T-Zelle in verschiedenen Orientierungen. (Bild: Betzig Lab, HHMI)

Das Gitter-Licht­scheiben-Mikro­skop kann in zwei verschie­denen Betriebs­modi arbeiten. Der hoch­auf­lösende Modus kann bis auf 150 zu 280 Nanometern scharf stellen. Im schnelleren „dithered“-Modus müssen die Forscher ein wenig an Bild­schärfe opfern; hier werden nur rund 230 auf 370 Nanometer Auflösung erreicht. Dafür ist dieser Modus deutlich schneller und erlaubt quasi drei­dimen­sionale Film­auf­nahmen von zellulären und subzel­lulären Vorgängen. Je nach unter­suchtem Objekt gelangen drei­dimen­sionale Aufnahmen im Sekunden­takt oder sogar noch schneller. Die Wissen­schaftler gehen davon aus, dass dieser schnelle Modus für die meisten biolo­gischen Zwecke, bei denen es nicht auf die letzten Prozent an Bild­schärfe ankommt, der bevor­zugte Betriebs­modus sein wird.

Die Forscher haben ihr System an zwanzig verschiedenen biolo­gischen Systemen getestet. Darunter waren so unterschiedliche wie die Entwicklung von Mikrotubuli bei der Zellteilung oder die Bildung immunolo­gischer Synapsen bei T-Zellen oder auch die Embryonal­entwicklung von Faden­würmern und Frucht­fliegen. Mit dieser Technik lassen sich vor allem dank der niedrigen Photo­toxizität drei­dimen­sionale Filme von Prozessen machen, die bislang so nicht möglich waren.

Aber wie alle optischen Techniken unterliegt auch diese dem Problem, dass sich bei dickeren Gewebe­schichten ab etwa 20 bis 100 Mikro­metern die Streu­effekte summieren. Hier könnten eventuell adaptive Optiken sowohl beim Anregungs- wie beim Detektions­strahl eine gewisse Abhilfe schaffen.

Dirk Eidemüller

OD

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