22.02.2007

Abrupte Klimaänderungen

Der Feuchtigkeitstransport vom Atlantik über die mittelamerikanische Landbrücke zum Pazifik führte während der letzten Eiszeit offenbar zu einer positiven Rückkopplung im Klimageschehen.



Der Feuchtigkeitstransport vom Atlantik über die mittelamerikanische Landbrücke zum Pazifik führte während der letzten Eiszeit offenbar zu einer positiven Rückkopplung im Klimageschehen.

Im Verlauf der letzten Eiszeit gab es immer wieder abrupte Klimaänderungen, die so genannten Dansgaard-Oeschger- und Heinrich-Ereignisse. Bislang gibt es keine allgemein akzeptierte Erklärung für diese Klimakapriolen. Ein Team französischer Forscher meint nun jedoch, eine heiße Spur gefunden zu haben: Offenbar führt der Feuchtigkeitstransport vom Atlantik über die mittelamerikanische Landbrücke zum Pazifik zu einer positiven Rückkopplung im Klimageschehen. Die Paläoklimatologen berichten in „Nature“ über ihre Untersuchungen der Salinität im ostäquatorialen Pazifik und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen.

„Wir folgern, dass Fluktuationen des Feuchtigkeitstransports auf einer Zeitskala von Jahrtausenden ein wichtiger Rückkopplungsmechanismus für abrupte Klimaänderungen sind“, schreiben Guillaume Leduc und seine Kollegen von der Universitè Paul Cèzanne Aix-Marseille, „denn sie modulieren das Frischwasserbudget des Nordatlantik und beeinflussen so die Neubildung des Nordatlantischen Tiefenwassers.“ Das Nordatlantische Tiefenwasser gilt als stärkste Komponente der globalen thermohalinen Zirkulation, der wiederum eine Schlüsselrolle im irdischen Klimageschehen zukommt.

Die Kombination aus starken Ostwinden und hoher Luftfeuchtigkeit in der Karibikregion führt zu einem ständigen Transport von Wasserdampf aus dem Atlantik über die mittelamerikanische Landbrücke zum Pazifik. Nur durch diesen Vorgang kommt es zum erhöhten Salzgehalt im Atlantik, der die thermohaline Zirkulation überhaupt erst ermöglicht. Dass dieser Feuchtigkeitstransport also eine wichtige Rolle für das Erdklima spielt, ist in der modernen Klimaforschung unbestritten. Unklar war jedoch bislang, inwieweit der Feuchtigkeitstransport durch die Eiszeit beeinflusst wurde oder umgekehrt deren Verlauf beeinflusst.

Hier setzt die Arbeit von Leduc und Kollegen an. Um die zeitliche Variation des Feuchtigkeitstransports zu untersuchen, haben die Forscher die Salinität des oberflächennahen Wassers im ostäquatorialen Pazifik aus Sedimentablagerungen rekonstruiert. Dabei zeigten sich starke Schwankungen des Salzgehalts auf Zeitskalen von Jahrtausenden. Zum einen schwankt der Salzgehalt sowohl im Atlantik als auch im Pazifik parallel zu einer zyklischen Nord-Süd-Verschiebung der so genannten Intertropische Konvergenzzone (ITCZ) im Atlantik. Dabei handelt es sich um eine Tiefdruckrinne, in der die südlichen Passatwinde mit den nördlichen zusammentreffen. Die Wanderung der ITCZ nach Süden koinzidiert dabei mit hoher Salinität und Heinrich-Ereignissen, also einer abrupten Abkühlung des Klimas.

Abb.: Die Entstehung der Intertropischen Konvergenzzone (ITCZ): Durch die stärkere Sonneneinstrahlung im äquatorialen Bereich kommt es zu einem vermehrten Aufsteigen warmer Luft. Dadurch bildet sich eine Tiefdruckrinne – eben die ITCZ – bei der die nördlichen und die südlichen Passatwinde (trade winds) aufeinander treffen. (Quelle: University of the Virgin Islands)

Doch Leduc und Kollegen stießen auf eine zweite, gegenläufige Variation: Während der Heinrich-Ereignisse steigt die Salinität im Pazifik zwei- bis dreimal so stark an wie im Atlantik. Die Forscher ziehen daraus den Schluss, dass die gemeinsame Schwankung des Salzgehalts in beiden Meeren auf die Wanderung der ITCZ zurückzuführen ist, während der zusätzliche Anstieg des Salzgehalts im Pazifik auf Schwankungen des Feuchtigkeitstransports zurückgeht.

Und hier sehen die Forscher einen Rückkopplungseffekt am Werk. Um Heinrich-Ereignisse zu provozieren, mussten die Klimaforscher bislang in ihren Modellrechnungen künstlich für eine Zufuhr von Frischwasser in den Atlantik sorgen, um dort den Salzgehalt zu verringern. Die Variation des Flüssigkeitstransports über die mittelamerikanische Landbrücke könnte nun eine natürliche Erklärung liefern: Nimmt dieser Transport ab, so sinkt der Salzgehalt im äquatorialen Atlantik und damit auch in den für die Klimaentwicklung wichtigen atlantischen Strömungen.

Leduc und seine Kollegen äußern die Vermutung, dass im Nordatlantik weitere, bislang unbekannte Rückkopplungsmechanismen am Werk sein könnten. Insbesondere um rasch ablaufende Klimaänderungen zu verstehen, müssten alle derartigen Prozesse identifiziert und in den Modellen berücksichtigt werden.

Rainer Kayser

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