03.02.2016

Abstände per Druck spüren

Sensorsystem Proximity Hat hilft Sehbehinderten und Einsatz­kräften bei der Orien­tierung im Raum.

Ultraschallsensoren, Batterien und Druckstempel stecken in einem neu­artigen System, das sich wie ein Hut oder Stirn­band auf den Kopf setzen lässt. Es über­mittelt seinem Träger durch schwächeren oder stärkeren Druck Information darüber, wie nah sich Wände, Durch­gänge oder Gegen­stände befinden. Das System mit dem Namen Proximity Hat – Annäherungs­hut – vermisst die jeweilige Umgebung in Echt­zeit und könnte Seh­behinderte ebenso bei der Orien­tierung im Raum unter­stützen wie Feuer­wehr­leute in einem verrauchten Gebäude.

Abb.: Der Aufbau des Proximity Hat. (Bild: KIT)

Ziel der Entwicklung von Proximity Hat ist ein präzise arbeitendes Hilfs­mittel, das dem Nutzer Distanz­information liefert, ohne ihn zu irritieren, wie dies bei der Kommu­ni­kation über Ton­signale oder Vibration der Fall sein kann. Der neue Ansatz, den Florian Braun für seine Bachelor-Arbeit im Fach Informatik am KIT gewählt hat, nutzt die Reiz­wahr­nehmung durch Druck. Proximity Hat erfasst die Umgebung durch inte­grierte Ultra­schall­sensoren und übermittelt dem Nutzer per Druck auf den Kopf Information darüber, wie nah oder fern sich Hinder­nisse befinden. In sechs Modulen befinden sich Ultra­schall­sensoren, die zusammen den Raum horizontal in alle Richtungen mit einem Mess­bereich von einigen Zenti­metern bis zu mehreren Metern erfassen. Die jeweils etwa fünf Mal fünf Quadrat­zenti­meter großen Module voll­ziehen bis zu fünfzig Messungen pro Sekunde. Eben­falls inte­griert sind mit elas­tischem Kunst­stoff um­wickelte Stempel. Sie drücken umso stärker auf den Kopf des Trägers, je näher sich ein Hindernis befindet und warnen so vor Kolli­sionen. Proximity Hat wurde während der mehr­monatigen Entwicklung in Benutzer­tests erfolg­reich erprobt.

Informationsübermittlung per Druck war bislang selten Gegen­stand von Unter­suchungen. „Die Entwicklung Proximity Hat erweitert die Sinnes­ein­drücke, man kann einen Raum dadurch nicht nur sehen oder hören, wie es in ihm klingt, sondern ihn auch spüren“, sagt Matthias Berning, der die Bachelor-Arbeit betreut hat. Das Feed­back durch Druck könnte Seh­behin­derte und Blinde unterstützen, ihre Um­gebung sicher, schnell und um­fassend ein­zu­schätzen. In Helme einge­baut könnte Proximity Hat Feuer­wehr­leuten helfen, sich in ver­rauchten Räumen zurecht­zu­finden und Estrich­legern oder Monteuren solche Arbeiten zu erleichtern, die sie rückwärts­gehend aus­führen. Die Infor­mation per Druck hat gegen­über anderen Lösungen den Vorteil, keine anderen Sinne zu beein­trächtigen. Bestehende Systeme, die Infor­mationen über Töne oder Vibrationen über­mitteln, werden von Nutzern oft als unan­genehm, irri­tierend oder über­fordernd empfunden.

„Bislang standen zumeist Sehen und Hören zur Über­mittlung digital erfasster Information an den Nutzer im Vorder­grund. Die Arbeit an Proximity Hat weist nach, dass sie auch über die sensorische Wahr­nehmung von Druck funktio­niert“, sagt Michael Beigl, Leiter des Lehr­stuhls für Pervasive Computing Systems am KIT. Es sei denkbar, diese Wahr­nehmungs­fähig­keit auch auf anderen Gebieten zur Erweiterung von Sinnes­ein­drücken zu nutzen, bei­spiels­­weise um von Sensoren gemessene Gefahren, etwa eine starke Luft­vers­chmutzung, erkenn­bar zu machen.

KIT / RK

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