20.11.2015

Accelerator-on-a-Chip

Gordon-und-Betty-Moore-Stiftung fördert Ent­wick­lung eines Teil­chen­beschleu­nigers im Mini­format mit 13,5 Mil­lio­nen US-Dollar.

Einen Teilchenbeschleuniger in der Größe einer Schuh­schachtel zu bauen – das ist das Ziel eines Forscher­teams unter Leitung der FAU Erlangen-Nürnberg und der Stanford Uni­versity zusammen mit acht weiteren interna­tionalen Partnern, darunter das DESY und die Uni Hamburg. Die Gordon and Betty Moore Foun­dation fördert das Projekt in den kommenden fünf Jahren mit umgerechnet 12,5 Millionen Euro.

Abb.: Beispiele für Nanostrukturen, die die Forscher für den Miniaturbeschleuniger untersuchen. (Bild: SLAC)

Teilchenbeschleuniger sind mehrere Kilometer lang und kosten viele Millionen Euro, große gar mehr als eine Milliarde Euro. Daher stehen Wissen­schaftlern nur wenige Geräte zur Verfügung, die Zeit für Versuche ist streng und kurz getaktet. Eine neuen Methode, der „accelerator-on-a-chip“, könnte die Kosten und die Größe in Zukunft jedoch senken – und die Wissenschaft an und mit ihm dadurch drastisch verändern. „Die Miniatu­risierung der Beschleu­niger kann man mit der Entwicklung von Computern vergleichen, die zunächst ganze Räume einnahmen und nun am Hand­gelenk getragen werden können. Durch diesen Ansatz werden wir hoffent­lich in der Lage sein, Teil­chen­beschleu­nigung für Forschungs­bereiche und -gruppen zugänglich zu machen, die vorher keinen Zugang zu dieser Technik hatten“, sagt Peter Hommelhoff vom Lehrstuhl für Laser­physik an der FAU, einer der beiden Projekt­leiter. „Dieser Prototyp, der auf unserem revolutionärem Design basiert, könnte den Weg bereiten für eine neue Gene­ration von Desktop-Beschleu­nigern, die zu unvorher­gesehenen Entdeck­ungen in der Biologie und den Werk­stoff­wissen­schaften sowie Anwendungen in der Medizin und der Röntgen­bild­gebung führt“, ergänzt der zweite Projektleiter, Robert Byer von der Stanford University.

Die „accelerator-on-a-chip“-Methode, auf der das Projekt basiert, entstand durch Experi­mente der beiden Projekt­leiter: Hommelhoff und Byer haben unabhängig vonein­ander gezeigt, dass Laser­strahlen dazu genutzt werden können, Elektronen zu beschleu­nigen. Hommel­hoff und sein Team haben dazu in ihrem Experiment den Elektronen­strahl eines Elektronen­mikroskops verwendet, den sie extrem nah an einer mikro­struktu­rieren Glas­struktur entlanggeschossen haben. Indem sie von der Seite durch die feine Glas­struktur hindurch kurze intensive Laser­pulse auf die Elektronen fokussiert haben, konnten sie die Elektronen beschleu­nigen. Byer und sein Team haben in einem sehr ähnlichen Expe­riment das Ganze mit viel energie­reicheren Elektronen an einem Teilchen­beschleu­niger gezeigt. Das Ergebnis: Die Elektronen wurden zehnmal schneller beschleunigt als in herkömmlichen Teilchen­beschleu­nigern. Zusammen­genommen könnten die Ergebnisse aus dem Jahr 2013 einen kompakten Teilchen­beschleu­niger ermöglichen.

Zu zeigen, dass in einem Elektronenmikrochip Teilchen beschleunigt werden können, ist jedoch erst der Anfang. Auf die Wissen­schaftler warten nun neue große Heraus­forde­rungen: Sie müssen unter anderem den Elek­tronen­strahl in seinem Durch­messer um ein Tausend­faches verkleinern. Kein leichtes Unter­fangen, wie Hommelhoff erklärt: „Dabei müssen wir folgendes beachten: Die Elektronen müssen auf einer schnur­geraden Linie gehalten werden. Sie lassen sich aber leicht in ihrer Richtung ablenken. Man kann sich Elektronen wie Murmeln vorstellen, die man entlang einer geraden Linie schieben will. Das ist mit einem langen Lineal sehr viel einfacher als wenn man es mit einem Textmarker versucht – vor allem, da die Elektronen sich immer auch untereinander abstoßen.“

Abb.: Auf dem Mikrochip werden die Elektronen extrem nah an einer mikrostrukturierten Glasstruktur (gelbe Pfeile) entlang geschossen. Von der Seite werden durch die feine Glas­struktur hindurch kurze intensive Laserpulse auf die Elektronen fokussiert, was die Elektronen beschleunigt. (Bild: FAU, J. McNeur)

Des Weiteren müssen die Forscher einen geeigneten Weg finden, die Elektronen zu erzeugen und vor allem auch präzise zu lenken. Dies bedeutet, dass nicht nur chip­basierte Beschleu­nigungs­elemente, sondern auch Ablenk- und Fokussier­elemente in den neuen Beschleuniger eingebaut werden müssen – doch diese gibt es noch gar nicht. Schließlich müssen die Wissen­schaftler das optimale Design für die Mikro­chips finden, damit sie aneinander­gereiht einen echten Teilchen­beschleu­niger ergeben, in dem die Teilchen auch nicht verloren gehen. Denn ein Beschleuniger-Mikrochip ist nur ein Puzzle­stück des Vorhabens, einen funktio­nierenden Teilchen­beschleuniger zu bauen. Schlüssel zum Erfolg wird sein, mehrere Mikro­chips mit unter­schied­lichen Funktionen in eine Reihe zu schalten und damit die Elektronen zu hohen Energien zu beschleunigen, oder aber, und das ist der Traum der Forscher, alle Elemente direkt auf einem größeren Mikrochip herzustellen.

Ob der Teilchenbeschleuniger dann am Ende tatsächlich so kompakt ist wie eine Schuh­schachtel oder gar so klein wie ein Streich­holz­schachtel oder aber doch groß wie ein Umzugs­karton wird, ist dabei gar nicht so wichtig, sagt Hommel­hoff: „Es geht vor allem darum, einen Prototypen zu bauen, der zeigt, dass Teilchen­beschleuniger viel kleiner gebaut werden können als bisher.“ Derzeit erste Wahl für das Material der Miniatur-Beschleu­niger­module ist dabei Silizium. „Das hat den Vorteil, dass man auf die weit fortgeschrittene Fertigungs­technik für Silizium-Mikro­chips zurückgreifen kann“, erläutert Ingmar Hartl, Leiter der Laser­gruppe im DESY-Forschungs­bereich Forschung mit Photonen.

In dem Projekt forschen weltweit renommierte Experten in Beschleunigerphysik, Laserphysik, Photonik, Nano­techno­logie und Nano­fabri­kation zusammen. Neben der FAU und der Standford University sind an dem Projekt drei Forschungszentren beteiligt – das SLAC National Accelerator Laboratory in Menlo Park, das Deutsche Elektronen-Synchroton in Hamburg und das Paul-Scherrer-Institut in Villigen – sowie eine Firma und weitere fünf Univer­sitäten: die Univer­sity of California Los Angeles, die Purdue University in Indiana, die Univer­sität Hamburg, die ETH Lausanne und die TU Darmstadt.

FAU / DESY / OD

Video: Peter Hommelhoff comments on the importance of funding the accelerator-on-a-chip project and the support of the Gordon and Betty Moore Foundation

Video: An international team of researchers has begun a 5-year effort to build a working particle accelerator the size of a shoebox based on an innovative technology known as “accelerator on a chip.” (Moore F.)

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