Aerogel – Mikro-Baustoff der Zukunft
Herstellung 3D-gedruckter Teile aus Silica-Aerogel und Silica-Komposit-Werkstoffen mit hoher Präzision möglich.
Aerogel ist ein hervorragender Wärmeisolator. Bislang wird es jedoch vor allem großmaßstäbig eingesetzt, etwa in der Umwelttechnik, bei physikalischen Experimenten oder in der industriellen Katalyse. Forschern der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA ist es nun gelungen, Aerogele auch für die Mikroelektronik und im Bereich der Feinmechanik zugänglich zu machen 3D-gedruckte Teile aus Silica-Aerogel und Silica-Komposit-Werkstoffen können jetzt mit hoher Präzision hergestellt werden. Das eröffnet zahlreiche neue Anwendungsmöglichkeiten in der Hightech-Industrie, etwa in Mikroelektronik, Robotik, Biotechnologie und Sensorik. Inzwischen suchen die Empa-Forscher bereits nach Industriepartnern, die 3D-gedruckte Aerogel-Strukturen in neue Hightech-Anwendungen integrieren wollen.
Silica-Aerogele sind leichte, poröse Schäume, die hervorragend thermisch isolieren. In der Praxis sind sie für ihr sprödes Verhalten bekannt, weshalb sie im Großmaßstab meist mit Fasern oder mit organischen oder Biopolymeren verstärkt werden. Aufgrund des spröden Bruchverhaltens ist es auch nicht möglich, kleine Stücke aus einem Aerogel-Block herauszusägen oder zu -fräsen. Auch das Erstarren von Aerogelen in miniaturisierten Gussformen gelingt nicht zuverlässig – was zu hohen Ausschussraten führt. Im Kleinmaßstab waren Aerogele daher bislang kaum einsetzbar.
Dem Team um ist es nun gelungen, mit Hilfe eines 3D-Druckers stabile, wohlgeformte Mikrostrukturen aus Silica-Aerogel herzustellen. Die gedruckten Strukturen können bis zu einem zehntel Millimeter dünn sein. Die Wärmeleitfähigkeit des Silica-Aerogels ist nur halb so groß wie diejenige von Polystyrol und sogar deutlich kleiner als diejenige einer unbewegten Luftschicht. Gleichzeitig weist das neuartige, 3D-gedruckte Silica-Aerogel noch bessere mechanische Eigenschaften auf und lässt sich sogar bohren und fräsen. Dadurch ergeben sich vollkommen neue Möglichkeiten zur Nachbearbeitung von 3D-gedruckten Aerogel-Formteilen.
Mit der inzwischen zum Patent angemeldeten Methode ist es möglich, die Fließ- und Erstarrungseigenschaften der silikatischen Tinte, aus dem später das Aerogel entsteht, exakt einzustellen, sodass sowohl selbsttragende Strukturen als auch hauchdünne Membranen gedruckt werden können. Als Beispiel für überhängende Strukturen druckten die Forscher Blätter und Blüten einer Lotusblume. Das Versuchsobjekt schwimmt aufgrund der hydrophoben Eigenschaften und geringen Dichte des Silica-Aerogels auf der Wasseroberfläche – genau wie sein natürliches Vorbild. Auch der Druck von komplexen 3D-Multimaterial-Mikrostrukturen ist durch die neue Technologie nun erstmals möglich.
Mit solchen Strukturen ist es künftig trivial, auch kleinste elektronische Bauteile voneinander thermisch zu isolieren. Die Forscher konnten bereits die thermische Abschirmung eines temperaturempfindlichen Bauteils sowie das thermischen Management eines lokalen Hot Spots auf eindrückliche Art demonstrieren. Eine weitere mögliche Anwendung ist die Abschirmung von Wärmequellen im Inneren medizinischer Implantate, die zum Schutz des Körpergewebes eine Oberflächentemperatur von 37 Grad nicht übersteigen sollten.
Durch den 3D-Druck lassen sich Multischicht-Multimaterial-Kombinationen deutlich zuverlässiger und reproduzierbarer fertigen. Neuartige Feinstrukturen aus Aerogel werden machbar und eröffnen neue technische Lösungen, wie ein zweites Anwendungsbeispiel zeigt: Die Forscher konstruierten mittels einer ausgedruckten Aerogel-Membran eine thermomolekulare Gaspumpe. Diese Permeationspumpe kommt ganz ohne bewegliche Teile aus. Ihr Wirkungsprinzip beruht auf dem eingeschränkten Gastransport in einem Netzwerk von nanoskaligen Poren oder eindimensionalen Kanälen, deren Wände an einem Ende heiß und am anderen Ende kalt sind. Das Team fertigte eine solche Pumpe aus Aerogel, dass an einer Seite mit schwarzen Manganoxid-Nanopartikeln dotiert wurde. Stellt man diese Pumpe ins Licht, dann wird sie an der dunkel eingefärbten Seite warm und beginnt Gase oder Lösungsmitteldämpfe von der kalten zur warmen Seite zu pumpen.
Diese Anwendungen zeigen die Möglichkeiten des 3D-Drucks auf eindrückliche Weise: Das Hochleistungsmaterial Aerogel wird durch den 3D-Druck zu einem Baumaterial für funktionelle Membranen, die sich rasch für verschiedenste Anwendungen modifizieren lassen. Die lediglich durch Sonnenlicht angetriebene Pumpe kann nämlich mehr als nur pumpen: Ist die Luft mit einer Verunreinigung oder einem Umweltgift wie dem Lösemittel Toluol belastet, so kann die Luft mehrmals durch die Membran zirkulieren; der Schadstoff wird dabei durch eine an den Manganoxid-Nanopartikeln katalysierte Reaktion chemisch abgebaut. Derartige sonnengetriebene, autokatalytische Lösungsansätze bestechen in der Luftanalytik und -reinigung im Kleinstmaßstab aufgrund ihrer Einfachheit und Langlebigkeit.
EMPA / RK
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- Originalveröffentlichung
S. Zhao et al.: Additive manufacturing of silica aerogels, Nature 584, 387 (2020); DOI: 10.1038/s41586-020-2594-0 - Building Energy Materials and Components, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA, Schweiz