24.08.2020 • Materialwissenschaften

Aerogel – Mikro-Baustoff der Zukunft

Herstellung 3D-gedruckter Teile aus Silica-Aerogel und Silica-Komposit-Werkstoffen mit hoher Präzision möglich.

Aerogel ist ein hervorragender Wärme­isolator. Bislang wird es jedoch vor allem groß­maß­stäbig eingesetzt, etwa in der Umwelt­technik, bei physika­lischen Experi­menten oder in der industri­ellen Katalyse. Forschern der Eidge­nössischen Material­prüfungs- und Forschungs­anstalt EMPA ist es nun gelungen, Aerogele auch für die Mikro­elektronik und im Bereich der Fein­mechanik zugänglich zu machen 3D-gedruckte Teile aus Silica-Aerogel und Silica-Komposit-Werk­stoffen können jetzt mit hoher Präzision herge­stellt werden. Das eröffnet zahlreiche neue Anwendungs­möglich­keiten in der Hightech-Industrie, etwa in Mikro­elektronik, Robotik, Biotechno­logie und Sensorik. Inzwischen suchen die Empa-Forscher bereits nach Industrie­partnern, die 3D-gedruckte Aerogel-Strukturen in neue Hightech-Anwendungen integrieren wollen.

Abb.: Um zu zeigen, dass sich feine Aerogel-Strukturen im 3D-Druck fertigen...
Abb.: Um zu zeigen, dass sich feine Aerogel-Strukturen im 3D-Druck fertigen lassen, druckten die Forscher eine Lotusblüte aus Aerogel. (Bild: EMPA)

Silica-Aerogele sind leichte, poröse Schäume, die hervor­ragend thermisch isolieren. In der Praxis sind sie für ihr sprödes Verhalten bekannt, weshalb sie im Großmaßstab meist mit Fasern oder mit organischen oder Biopolymeren verstärkt werden. Aufgrund des spröden Bruch­verhaltens ist es auch nicht möglich, kleine Stücke aus einem Aerogel-Block heraus­zu­sägen oder zu -fräsen. Auch das Erstarren von Aerogelen in miniaturi­sierten Gussformen gelingt nicht zuverlässig – was zu hohen Ausschuss­raten führt. Im Klein­maßstab waren Aerogele daher bislang kaum einsetzbar.

Dem Team um ist es nun gelungen, mit Hilfe eines 3D-Druckers stabile, wohl­geformte Mikro­strukturen aus Silica-Aerogel herzu­stellen. Die gedruckten Strukturen können bis zu einem zehntel Millimeter dünn sein. Die Wärme­leit­fähig­keit des Silica-Aerogels ist nur halb so groß wie diejenige von Polystyrol und sogar deutlich kleiner als diejenige einer unbewegten Luftschicht. Gleich­zeitig weist das neuartige, 3D-gedruckte Silica-Aerogel noch bessere mechanische Eigen­schaften auf und lässt sich sogar bohren und fräsen. Dadurch ergeben sich voll­kommen neue Möglich­keiten zur Nach­bearbei­tung von 3D-gedruckten Aerogel-Formteilen.

Mit der inzwischen zum Patent angemeldeten Methode ist es möglich, die Fließ- und Erstarrungs­eigen­schaften der silikatischen Tinte, aus dem später das Aerogel entsteht, exakt einzustellen, sodass sowohl selbst­tragende Strukturen als auch hauch­dünne Membranen gedruckt werden können. Als Beispiel für über­hängende Strukturen druckten die Forscher Blätter und Blüten einer Lotusblume. Das Versuchs­objekt schwimmt aufgrund der hydro­phoben Eigen­schaften und geringen Dichte des Silica-Aerogels auf der Wasser­ober­fläche – genau wie sein natür­liches Vorbild. Auch der Druck von komplexen 3D-Multi­material-Mikro­strukturen ist durch die neue Techno­logie nun erstmals möglich.

Mit solchen Strukturen ist es künftig trivial, auch kleinste elektro­nische Bauteile vonein­ander thermisch zu isolieren. Die Forscher konnten bereits die thermische Abschirmung eines temperatur­empfind­lichen Bauteils sowie das thermischen Management eines lokalen Hot Spots auf eindrück­liche Art demonstrieren. Eine weitere mögliche Anwendung ist die Abschirmung von Wärme­quellen im Inneren medizi­nischer Implantate, die zum Schutz des Körper­gewebes eine Ober­flächen­temperatur von 37 Grad nicht über­steigen sollten.

Durch den 3D-Druck lassen sich Multi­schicht-Multi­material-Kombina­tionen deutlich zuver­lässiger und reprodu­zier­barer fertigen. Neuartige Feinstrukturen aus Aerogel werden machbar und eröffnen neue technische Lösungen, wie ein zweites Anwendungs­beispiel zeigt: Die Forscher konstru­ierten mittels einer ausge­druckten Aerogel-Membran eine thermo­molekulare Gaspumpe. Diese Permeations­pumpe kommt ganz ohne bewegliche Teile aus. Ihr Wirkungs­prinzip beruht auf dem einge­schränkten Gastransport in einem Netzwerk von nano­skaligen Poren oder eindimen­sionalen Kanälen, deren Wände an einem Ende heiß und am anderen Ende kalt sind. Das Team fertigte eine solche Pumpe aus Aerogel, dass an einer Seite mit schwarzen Mangan­oxid-Nano­partikeln dotiert wurde. Stellt man diese Pumpe ins Licht, dann wird sie an der dunkel eingefärbten Seite warm und beginnt Gase oder Lösungs­mittel­dämpfe von der kalten zur warmen Seite zu pumpen.

Diese Anwendungen zeigen die Möglich­keiten des 3D-Drucks auf eindrück­liche Weise: Das Hoch­leistungs­material Aerogel wird durch den 3D-Druck zu einem Baumaterial für funktio­nelle Membranen, die sich rasch für verschie­denste Anwendungen modifi­zieren lassen. Die lediglich durch Sonnen­licht angetriebene Pumpe kann nämlich mehr als nur pumpen: Ist die Luft mit einer Verunreinigung oder einem Umwelt­gift wie dem Löse­mittel Toluol belastet, so kann die Luft mehrmals durch die Membran zirku­lieren; der Schadstoff wird dabei durch eine an den Mangan­oxid-Nano­partikeln kataly­sierte Reaktion chemisch abgebaut. Derartige sonnen­getriebene, auto­kataly­tische Lösungs­ansätze bestechen in der Luft­analytik und -reinigung im Kleinst­maßstab aufgrund ihrer Einfach­heit und Lang­lebigkeit.

EMPA / RK

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