13.09.2016

Als der Erdmantel verdampfte

Kalium-Isotope liefern Einblick in die Entstehung des Mondes.

Mitte der 1970er Jahre schlugen unabhängig von­ein­ander William Hart­mann und Donald Davis, sowie Alastair Cameron und William Ward vor, der Mond sei vor 4,5 Milli­arden Jahren aus den Trümmer einer Kollision der Proto-Erde mit einem etwa mars­großen Proto­planeten – heute zumeist Theia genannt – ent­standen. Dieses Szena­rio hat sich zwar seit Mitte der 1980er Jahre weit­gehend durch­ge­setzt, ist aber nicht ohne Probleme.

Denn um die Größe des Erdtrabanten, seine Umlaufbahn und die Rota­tions­zeiten von Erde und Mond zu erklären, eignet sich – wie zahl­reiche nume­rische Simu­la­tionen zeigten – am besten ein eher sanfter Zusammen­stoß unter einem flachen Winkel. Dabei würde zwar Theia völlig zer­stört, es würde jedoch nur wenig Materie der Proto-Erde in der rotie­renden Trümmer­scheibe landen, aus der sich schließ­lich der Mond bildete. Die Ana­lysen der Boden­proben, die von Sonden und Apollo-Astro­nauten zur Erde gebracht wurden, zeigten jedoch eine weit­gehende Über­ein­stimmung der Iso­topen-Verhält­nisse in irdischem und lunarem Gestein.

Abb.: Szenario 1 (oben): Nach einem sanften Zusammen­stoß bildet sich eine Scheibe (Magma Disk) haupt­säch­lich aus den Trümmern von Theia, ein­ge­hüllt in eine Atmo­sphäre aus irdischem Gesteins­dampf (Silicate Atmo­sphere). Szena­rio 2 (unten): Nach einer energie­reichen Kolli­sion ver­dampft nicht nur Theia, sondern auch der Mantel der Proto-Erde. Ein dichte Wolke aus Gesteins­dampf bildet sich (Mantle-Atmo­sphere-Disk), in der sich irdische Mantel­materie und Theia-Trümmer ver­mischen. (Bild: K. Wang, Harvard U.)

Und das stürzte die Mondforscher in die „Isotopen-Krise“. Denn in verschie­denen Regionen des Sonnen­systems ent­standene Himmels­körper weisen gemein­hin signi­fi­kant unter­schied­liche Iso­topen-Verhält­nisse auf. Die Iso­topen-Verhält­nisse dienen den Wissen­schaftlern gerade­zu als kosmische Finger­ab­drücke, erlauben sie doch die Zuord­nung von Meteo­riten zu ihren Ur­sprungs-Astero­iden. Ent­sprechend sollten sich also auch Proto-Erde und Theia in ihrer Iso­topen-Zusammen­setzung unter­schieden haben – und dieser Unter­schied müsste noch heute in der Iso­topen-Zusammen­setzung des Mond­ge­steins sicht­bar sein.

Mit zwei unterschiedlichen Szenarien versuchen die Mond­forscher seither, dieses Problem zu lösen. Im ersten Szena­rio bildet sich durch die Kolli­sion eine Wolke aus Gesteins­dampf, die sich als dünne Silikat-Atmo­sphäre um die Trümmer­scheibe legt. Der Gesteins­dampf vermischt sich, so die Idee, mit dem Mate­rial der Trümmer­scheibe und sorgt so für weit­ge­hend der Erde ähnelnde Iso­topen-Verhält­nisse in dem sich bildenden Erd­tra­banten. Aller­dings ver­läuft diese Durch­mischung möglicher­weise zu lang­sam – nämlich lang­samer als die Ent­stehung des Mondes.

Das zweite Szenario löst sich von der Idee des sanften Ein­schlags und geht statt­dessen von einer energie­reichen Kollision unter steilem Winkel aus – so energie­reich, dass der Gesteins­mantel der Erde voll­ständig ver­dampft. Zusammen mit der eben­falls komplett ver­dampften Materie von Theia bildet dieser Gesteins­dampf eine Wolke um die Proto-Erde, die so dicht ist, dass der Gesteins­dampf in ihr eine über­kritische Flüssig­keit bildet. Dadurch ist eine voll­ständige Durch­mischung der beiden Kompo­nenten gewähr­leistet.

Kun Wang und Stein Jacobsen von der Harvard Uni­ver­sity in Cam­bridge im US-Bundes­staat Massa­chu­setts sind jetzt auf einen mini­malen Unter­schied im Verhält­nis der Kalium-Isotope 39 und 41 gestoßen, der für das Szenario eines energie­reichen Ein­schlags spricht. Die beiden Forscher haben ein neues Ver­fahren ent­wickelt, mit dem sich dieses Verhältnis zehn Mal genauer be­stimmen lässt als mit früheren Methoden. Mit ihrem Ver­fahren haben sie sieben Boden­proben vom Mond, die von unter­schied­lichen Missionen stammen, sowie acht reprä­sen­ta­tive Gesteins­proben aus dem Erd­mantel analy­siert. Das Ergebnis: Im Mond­ge­stein ist das schwere Isotop Kalium-41 um 400 ppm ange­reichert. Eine solche Anrei­cherung ist durch unvoll­ständige Konden­sation aus der Dampf­phase möglich, so Wang und Jacobsen – aber nur bei einem Druck von min­destens zehn Bar. Einen solchen Druck gäbe es in der dichten Gesteins­dampf-Wolke nach einem energie­reichen Zusammen­stoß, aber nicht in der dünnen Gesteins­atmo­sphäre nach einer sanften Kollision. Bei der Ent­stehung unseres Mondes hat es also offen­bar weit heftiger geknallt, als bis­lang ange­nommen.

Rainer Kayser

RK

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