Alte Asteroidenfamilie entdeckt
Dunkle Himmelskörper bieten Einblick in die Planetenentstehung.
Die heutigen Planeten in unserem Sonnensystem sind durch die Kollision und Verschmelzung kleinerer Himmelskörper entstanden. Wie aber haben sich diese mehrere hundert Kilometer großen Planetenbausteine, die Planetesimale, gebildet? Diese entscheidende Frage der Planetenentstehung ist bislang nicht geklärt. Lange Zeit gingen Astronomen von einem Koagulations-Szenario aus, in dem sich aus den winzigen Staubkörnchen in der protoplanetarischen Scheibe sukzessive durch Zusammenstöße immer größere Körper bilden.
Abb.: Künstlerische Darstellung eines dunklen Asteroiden. Viele dieser Himmelskörper gehören einer Familie an, stammen also von einem einzigen Ursprungskörper. (Bild: NASA)
Neuere theoretische Modelle und Simulationen zeigen jedoch, dass auch ein anderer Ablauf möglich ist: Dabei bilden sich die Planetesimale direkt durch eine Verklumpung der Staubteilchen zu mehreren hundert Kilometer großen Objekten. Die Bildung meter- bis kilometergroßer Körper als Zwischenstufen wird dabei quasi übersprungen. Die ursprüngliche Population der Planetesimale hat in diesem Szenario folglich eine völlig andere Verteilung als im Koagulations-Szenario.
Allerdings war es bislang nicht möglich, diese Verteilung aus Beobachtungen abzuleiten. Denn aus den meisten Planetesimalen haben sich innerhalb kosmisch kurzer Zeit Planeten gebildet. Und die verbleibenden Planetesimale in der Region zwischen Mars und Jupiter, dem heutigen Asteroidengürtel, sind durch Kollisionen zu immer kleineren Körpern zerfallen. Gerade dieser Prozess eröffnet jedoch auch Möglichkeiten, Informationen über die ursprünglichen Planetesimale zu erhalten. Denn ein Viertel aller bekannten Asteroiden bilden Familien, gehen also auf jeweils einen Ursprungskörper zurück. Über hundert solcher Familien sind bekannt, von denen allerdings die meisten nicht auf Planetesimale, sondern lediglich auf ältere Asteroiden, also bereits Bruchstücke von Planetesimalen, zurückgehen.
Abb.: Eine statistische Analyse führte zur Entdeckung der neuen Asteroidenfamilie. Die Abbildung zeigt die Häufigkeit von Asteroiden in einer Art Phasendiagramm. Vertikal ist ein Maß für die Streuung von Durchmesser und Halbachsen der Umlaufbahnen aufgetragen, horizontal eine Größe, die die mittlere Größe der Umlaufbahnen repräsentiert. Neben der neuen primordialen Familie sind in dem Diagramm zwei bekannte Familien, Eulalia und Polana, markiert. (Bild: M. Delbo et al. / AAAS)
Marco Delbo von der Université Côte d’Azur in Nizza und seinen Kollegen gelang es jetzt mithilfe einer statistischen Analyse eine bislang unbekannte Asteroidenfamilie zu identifizieren. Die Forscher konzentrierten sich dabei auf Asteroiden mit niedriger Albedo. Diese kohlige Chondriten sind primitive Körper, die im Gegensatz zu helleren Asteroiden eine ursprünglichere Struktur und Zusammensetzung zeigen – und daher möglicherweise direkt von Planetesimalen stammen. Die Forscher schätzen auf Basis der Verteilung der Umlaufbahnen – die insbesondere durch den Jarkowski-Effekt im Laufe der Zeit immer weiter von der ursprünglich gemeinsamen Bahn aller Körper einer Familie abweichen – auf ein Alter von vier Milliarden Jahren. Damit handelt es sich um eine der ältesten bekannten Asteroidenfamilien.
Die neue Familie enthält nahezu alle dunklen Asteroiden, die bislang keinem Ursprungskörper zugeordnet werden konnten. Bei den wenigen, nach dieser Entdeckung verbleibenden dunklen Asteroiden handelt es sich demnach, so Delbo und seine Kollegen, um ursprüngliche Planetesimale, die nicht zerfallen sind. Die Überraschung dabei: Alle diese Himmelskörper sind größer als 35 Kilometer. Wenn es sich bei ihnen also um Mitglieder der ursprünglichen Population von Planetesimalen handelt und es keine kleineren dunklen Körper gibt, die keiner Familie zuzuordnen sind, spreche das dafür, dass Planetesimale bereits groß entstehen, also nicht sukzessive durch Koagulation, so die Forscher
Rainer Kayser
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