23.05.2018

Am Quanten-Landauer-Limit

Fundamentale Grenze für Wärme­pro­duk­tion bei Quanten­infor­ma­tions­ver­arbei­tung an ein­zelnem Ion getestet.

Eines der grundlegenden Probleme beim Design von elek­tro­nischen Schal­tungen ist die unver­meid­liche Wärme, die bei allen Vor­gängen in den Schalt­kreisen ent­steht. Hinter jeder logi­schen Opera­tion steht ein physi­ka­lischer Vor­gang, der mit einem bestimmten Energie­umsatz ver­bunden ist und der sich nicht unter einen gewissen Wert drücken lässt. Selbst beim Löschen von Infor­ma­tion entsteht Wärme. In der klas­si­schen Infor­ma­tions­ver­arbei­tung hat Rolf Landauer 1961 einen Grenz­wert für diesen Entropie­umsatz gefunden. Für einen ein­fachen Lösch­vor­gang beträgt dieses Landauer-Limit kB T ln2, wobei kB die Boltz­mann-Konstante und T die abso­lute Tempe­ratur der Umge­bung ist.

Abb.: Der Zustand des atomaren Quanten­bits ent­sprach zu Beginn der maxi­malen Entropie im Zentrum der Bloch-Kugel und ging dann zu einem reinen Zustand mit mini­maler Entropie über. (Bild: APS / A. Stone­braker)

Auch in der Quantenwelt sollte dieses Prinzip gelten. Bei der Quanten­infor­ma­tions­ver­arbei­tung ist die Berück­sich­tigung dieses Grenz­werts sogar noch deut­lich ent­schei­dender als bei der klas­sischen Transistor­technik, denn die empfind­lichen Quanten­zustände können durch Wärme­ent­wick­lung schnell de­kohä­rieren, was mit Fehlern und Aus­fällen einher­geht. Ein Forscher­team um Mang Feng von der Chine­sischen Akademie der Wissen­schaften in Wuhan hat jetzt erst­mals Messungen zum Landauer-Prinzip an einem voll­stän­digen Quanten­system durch­ge­führt, bei dem sowohl das Quanten­bit als auch das Wärme­reser­voir quanti­sierte Energie­zustände besaßen.

Das Landauer-Prinzip stellt sich nach den Gesetzen der Thermo­dynamik kurz so dar: Ein Bit mit den gleich­wahr­schein­lichen Werten 0 oder 1 besitzt eine maxi­male Shannon-Entropie von kB T ln2. Bei einem Lösch­vor­gang redu­ziert sich dieser Wert auf 0, denn das Ver­schwinden der Infor­mation ent­spricht dem Ver­schwinden der Entropie. Da nach dem zweiten Haupt­satz der Thermo­dynamik die Gesamt­entropie niemals abnehmen kann, muss ein solcher Lösch­vor­gang also min­des­tens mit einer Entropie­erhö­hung im Rahmen des Landauer-Limits einher­gehen.

Auch wenn die Herleitung des Quanten-Landauer-Limits sich etwas anders gestaltet als in der klas­sischen Variante, gilt doch der gleiche Grenz­wert für das Löschen eines maxi­mal informa­tions­haltigen Quanten­bits. Diese Gesetz­mäßig­keiten sind nicht allein für die Quanten­informa­tions­ver­arbei­tung von Bedeu­tung, wo sie den Zusammen­hang von Energie­umsatz und Geschwin­dig­keit bestimmen. Auch bei zellu­lären Pro­zessen, wie etwa dem Kopieren von Erb­gut oder dem Repa­rieren von Fehlern im DNA-Strang, lassen sie sich nicht um­gehen.

Die Wissenschaftler um Feng konnten diesen Wert jetzt experi­men­tell bestä­tigen. Hierzu reali­sierten sie das Quanten­bit über zwei interne Zustände eines einfach ionis­ierten, ultra­kalten Kalzium-40-Ions, das sie in einer linearen Paul­falle gefangen hielten. Dieses Ion kühlten die Forscher mit Hilfe von Laser­strahlen per Doppler­kühlung auf wenige Dutzend Mikro­kelvin herunter. Über ein externes Magnet­feld von sechs Gauß split­teten die Forscher den Grund­zu­stand 42 S1/2 und den meta­stabilen Zustand 32D5/2 in zwei beziehungs­weise sechs Unter­zu­stände auf, von denen sie jeweils einen als einen der beiden Quanten­bit-Zustände 0 oder 1 nutzten. Als Wärme­reser­voir nutzten die Wissen­schaftler die Schwin­gungs­moden des Kalzium-Ions. Diese ließen sich über Seiten­banden-Laser­strahlen an die Quanten­bit-Zustände koppeln.

Zu Beginn des Experiments waren beide Zustände mit gleicher Wahr­schein­lich­keit besetzt. Das ent­spricht als gemischtes System einem Zustand maxi­maler Entropie. Dann löschten die Forscher einen Teil der im Kalzium-Ion gespei­cherten Infor­mation, indem sie es mittels Laser­strah­lung an die Schwin­gungs­moden koppelten und auf diese Weise einen Kontakt zwischen Quanten­bit und Wärme­reser­voir her­stellten. Ein Teil der Infor­mation des Quanten­bits ging auf diese Weise in Wärme über. Über viele Messungen gemittelt konnten die Wissen­schaftler so den Zusammen­hang zwischen den beiden Zuständen im Ion und den ver­schie­denen Schwingungs­moden ermitteln. Wie der Ver­gleich ergab, waren dabei sowohl die Grund­gesetze der Thermo­dynamik als auch das Landauer-Prinzip erfüllt.

Für künftige Quantencomputer ist nun klar definiert, wo die Design­grenzen liegen. Einer­seits sind der­artige Prozesse wichtig für die Initiali­sie­rung des Quanten-Rechen­prozesses, bei der man einen Quanten­computer auf die nötigen Anfangs­werte stellen muss. Hier­bei müssen die Quanten­bits durch den Kontakt mit einem ent­spre­chenden Wärme­reser­voir sicher gelöscht werden, um die Infor­ma­tionen aus voran­ge­gangen Rechen­schritten zu ent­fernen, die künftige Rech­nungen ver­fälschen könnten. Auf der anderen Seite spielen solche Prozesse auch bei Quanten-Korrek­tur­ver­fahren eine wich­tige Rolle. Im Ver­gleich zur her­kömm­lichen Computer­technik sollten Quanten­computer hier sogar einen höheren Entropie­umsatz mit sich bringen, denn zwischen den Quanten­bits und dem Wärme­reser­voir können zusätz­lich nicht­klas­sische Korre­la­tionen vor­liegen. Man darf gespannt bleiben, wie sich diese Erkennt­nisse bei den kommenden Typen von Quanten­computern um­setzen lassen. Wie die Forscher bei ihren Experi­menten fest­stellten, wird es vor allem bei sehr tiefen Tempe­ra­turen enorm schwierig, den Entropie­umsatz zu mini­mieren.

Dirk Eidemüller

RK

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