Eines der grundlegenden Probleme beim Design von elektronischen Schaltungen ist die unvermeidliche Wärme, die bei allen Vorgängen in den Schaltkreisen entsteht. Hinter jeder logischen Operation steht ein physikalischer Vorgang, der mit einem bestimmten Energieumsatz verbunden ist und der sich nicht unter einen gewissen Wert drücken lässt. Selbst beim Löschen von Information entsteht Wärme. In der klassischen Informationsverarbeitung hat Rolf Landauer 1961 einen Grenzwert für diesen Entropieumsatz gefunden. Für einen einfachen Löschvorgang beträgt dieses Landauer-Limit kB T ln2, wobei kB die Boltzmann-Konstante und T die absolute Temperatur der Umgebung ist.
Abb.: Der Zustand des atomaren Quantenbits entsprach zu Beginn der maximalen Entropie im Zentrum der Bloch-Kugel und ging dann zu einem reinen Zustand mit minimaler Entropie über. (Bild: APS / A. Stonebraker)
Auch in der Quantenwelt sollte dieses Prinzip gelten. Bei der Quanteninformationsverarbeitung ist die Berücksichtigung dieses Grenzwerts sogar noch deutlich entscheidender als bei der klassischen Transistortechnik, denn die empfindlichen Quantenzustände können durch Wärmeentwicklung schnell dekohärieren, was mit Fehlern und Ausfällen einhergeht. Ein Forscherteam um Mang Feng von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Wuhan hat jetzt erstmals Messungen zum Landauer-Prinzip an einem vollständigen Quantensystem durchgeführt, bei dem sowohl das Quantenbit als auch das Wärmereservoir quantisierte Energiezustände besaßen.
Das Landauer-Prinzip stellt sich nach den Gesetzen der Thermodynamik kurz so dar: Ein Bit mit den gleichwahrscheinlichen Werten 0 oder 1 besitzt eine maximale Shannon-Entropie von kB T ln2. Bei einem Löschvorgang reduziert sich dieser Wert auf 0, denn das Verschwinden der Information entspricht dem Verschwinden der Entropie. Da nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik die Gesamtentropie niemals abnehmen kann, muss ein solcher Löschvorgang also mindestens mit einer Entropieerhöhung im Rahmen des Landauer-Limits einhergehen.
Auch wenn die Herleitung des Quanten-Landauer-Limits sich etwas anders gestaltet als in der klassischen Variante, gilt doch der gleiche Grenzwert für das Löschen eines maximal informationshaltigen Quantenbits. Diese Gesetzmäßigkeiten sind nicht allein für die Quanteninformationsverarbeitung von Bedeutung, wo sie den Zusammenhang von Energieumsatz und Geschwindigkeit bestimmen. Auch bei zellulären Prozessen, wie etwa dem Kopieren von Erbgut oder dem Reparieren von Fehlern im DNA-Strang, lassen sie sich nicht umgehen.
Die Wissenschaftler um Feng konnten diesen Wert jetzt experimentell bestätigen. Hierzu realisierten sie das Quantenbit über zwei interne Zustände eines einfach ionisierten, ultrakalten Kalzium-40-Ions, das sie in einer linearen Paulfalle gefangen hielten. Dieses Ion kühlten die Forscher mit Hilfe von Laserstrahlen per Dopplerkühlung auf wenige Dutzend Mikrokelvin herunter. Über ein externes Magnetfeld von sechs Gauß splitteten die Forscher den Grundzustand 42 S1/2 und den metastabilen Zustand 32D5/2 in zwei beziehungsweise sechs Unterzustände auf, von denen sie jeweils einen als einen der beiden Quantenbit-Zustände 0 oder 1 nutzten. Als Wärmereservoir nutzten die Wissenschaftler die Schwingungsmoden des Kalzium-Ions. Diese ließen sich über Seitenbanden-Laserstrahlen an die Quantenbit-Zustände koppeln.
Zu Beginn des Experiments waren beide Zustände mit gleicher Wahrscheinlichkeit besetzt. Das entspricht als gemischtes System einem Zustand maximaler Entropie. Dann löschten die Forscher einen Teil der im Kalzium-Ion gespeicherten Information, indem sie es mittels Laserstrahlung an die Schwingungsmoden koppelten und auf diese Weise einen Kontakt zwischen Quantenbit und Wärmereservoir herstellten. Ein Teil der Information des Quantenbits ging auf diese Weise in Wärme über. Über viele Messungen gemittelt konnten die Wissenschaftler so den Zusammenhang zwischen den beiden Zuständen im Ion und den verschiedenen Schwingungsmoden ermitteln. Wie der Vergleich ergab, waren dabei sowohl die Grundgesetze der Thermodynamik als auch das Landauer-Prinzip erfüllt.
Für künftige Quantencomputer ist nun klar definiert, wo die Designgrenzen liegen. Einerseits sind derartige Prozesse wichtig für die Initialisierung des Quanten-Rechenprozesses, bei der man einen Quantencomputer auf die nötigen Anfangswerte stellen muss. Hierbei müssen die Quantenbits durch den Kontakt mit einem entsprechenden Wärmereservoir sicher gelöscht werden, um die Informationen aus vorangegangen Rechenschritten zu entfernen, die künftige Rechnungen verfälschen könnten. Auf der anderen Seite spielen solche Prozesse auch bei Quanten-Korrekturverfahren eine wichtige Rolle. Im Vergleich zur herkömmlichen Computertechnik sollten Quantencomputer hier sogar einen höheren Entropieumsatz mit sich bringen, denn zwischen den Quantenbits und dem Wärmereservoir können zusätzlich nichtklassische Korrelationen vorliegen. Man darf gespannt bleiben, wie sich diese Erkenntnisse bei den kommenden Typen von Quantencomputern umsetzen lassen. Wie die Forscher bei ihren Experimenten feststellten, wird es vor allem bei sehr tiefen Temperaturen enorm schwierig, den Entropieumsatz zu minimieren.
Dirk Eidemüller
RK