22.10.2015

Antifouling durch Inseln aus Wolframoxid

Gepulste elektrochemische Deponierung formt Nanostrukturen auf zahlreichen Stahllegierungen.

Setzen sich Algen, Seepocken oder Muscheln auf den Stahlrümpfen von Frachtern ab, steigen der Strömungswiderstand, der Treibstoffbedarf und die Rostanfälligkeit. Nach dem Verbot giftiger Antifouling-Anstriche aus Tributylzinn /TBT) werden derzeit noch ebenfalls bedenkliche kupferhaltige Farben oder Biozide verwendet. Eine physikalische Alternative entwickelten nun Forscher an der Harvard University in Cambridge. Sie beschichteten mit einem gepulsten, elektrochemischen Verfahren Stahloberlächen mit Wolframoxid, um eine sehr wirksame Schutzschicht gegen störenden Bewuchs aufzubauen.

Abb.: Ein Stahlstreifen mit der neuen Schutzschicht aus Wolframoxid (links) korrodiert deutlich langsamer als ein unbehandelter Vergleichsstreifen (rechts; Bild: J. Aizenberg et al., SEAS)

Die Arbeitsgruppe um Joanna Aizenberg von der John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences (SEAS) verwendete als Elektrolyt eine wässrige Lösung aus Natriumwolframat. Verschiedene Stahllegierungen dienten in der elektrochemischen Zelle als zu beschichtende Kathode und ein Platinstab als Anode. Mit einer Spannung von –1,5 Volt ließen die Forscher Strom in Pulsen von zehn Sekunden Dauer über zwölf Stunden durch diese Zelle fließen. Dabei lagerte sich Wolframoxid in kleinen Inseln von etwa 600 Nanometer Dicke auf der Stahloberfläche ab, bis eine gelb-grüne Schicht entstand.

Diese Wolframoxid-Inseln hafteten ausgesprochen fest an der Stahloberfläche, da sich teilweise kovalente Bindungen zwischen Sauerstoff und den im Stahl enthaltenen Metallen (Eisen, Chrom, Nickel) aufbauten. Belastungsversuche mit spitzen Werkzeugen und Sandstrahldüsen zeigten, dass die Wolframoxid-Inseln sehr stabil an der Oberfläche befestigt waren. Die Antifouling-Eigenschaften bleiben sogar bestehen, wenn kleine Bereiche der fluorinierten Beschichtung abgetragen werden konnten.

Abb.: Mikroskopaufnahme der nanoskaligen Wolframoxid-Inseln auf einer Stahloberfläche. (Bild: J. Aizenberg et al., SEAS)

In dieser Form war das Wolframoxid allerdings noch stark hydrophil. Um eine stark Wasser abstoßende Schicht zu erhalten, fluorinierten die Forscher das Wolframoxid mit einer Lösung aus Perfluoropolyether-Verbindungen. Das Ergebnis war eine omnipbobe Beschichtung, die sowohl Wasser als auch Blut abstieß. Dank dieser Eigenschaft konnten sich auch während eines achttägigen Langzeitversuchs keine Biofilme etwa aus Grünalgen auf dieser Oberflächen bilden. Wenn sich keine Biofilme bilden können, fehlt auch Seepocken und Muscheln die notwendige Grundlage, um sich auf Stahlrümpfen anzusiedeln.

So steht nun mit der gepulsten elektrochemischen Deponierung ein nützliches Verfahren zur Verfügung, um Schiffsrümpfe ohne den Einsatz von giftigen Anstrichen langfristig vor Bewuchs schützen zu können. Aizenberg und Kollegen sind davon überzeugt, dass ihre Beschichtungsmethode auch auf andere Metalle wie etwa Titan-Legierungen angewandt werden könnte, um Infektionen an medizinischen Implantaten zu vermeiden.

Vor einer Anwendung muss dieses Verfahren jedoch noch für größere Oberflächen skaliert werden. Gelingt dieser Schritt, den Joanna Aizenberg wegen des einfachen Aufbaus ihrer Experimente nicht als allzu große Herausforderung ansieht, könnten beliebige Stahloberflächen mit einer günstigen und deutlich weniger giftigen Schutzschicht aus Wolframoxid-Inseln überzogen werden. Die Forscher sehen hier ein Einsparpotenzial im Vergleich zu bisherigen Antifouling-Maßnahmen von Dutzenden Millionen Dollar. An einer Vermarktung dieser Beschichtung wird zusammen mit der Harvard-Ausgründung SLIPS Technologies gearbeitet.

Jan Oliver Löfken

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