29.01.2009

Arsenid-Supraleiter mit dem gewissen Etwas

Hochtemperatursupraleitung muss nicht zweidimensional sein

Arsenid-Supraleiter mit dem gewissen Etwas

Hochtemperatursupraleitung muss nicht zweidimensional sein

Eine im vergangenen Jahr entdeckte Gruppe von eisen- und arsenhaltigen Supraleitern wirft neues Licht auf die noch immer rätselhafte Hochtemperaturleitung der Kuprate. Diese sogenannten Pniktide, zu denen SmFeAsO1-xFx und Ba1-xKxFe2As2 gehören, zeigen Supraleitung bis hinauf zu Temperaturen von 56 K. Das liegt zwar deutlich unter den Sprungtemperaturen der Kuprate, die bis zu 150 K reichen. Doch es übertrifft auch klar die entsprechenden Werte für die metallischen Tieftemperaturleiter. Die neuen „Hochtemperaturleiter“ sind deshalb so interessant, weil sie neben vielen Ähnlichkeiten mit den Kupraten auch markante Unterschiede zeigen. Obwohl die Pniktide eine Schichtstruktur wie die Kuprate besitzen, scheint bei ihnen die Supraleitung nicht entlang von Kristallebenen zu verlaufen sondern in drei Dimensionen.  

Das Verhalten der metallischen Tieftemperatursupraleiter wie Aluminium oder Blei lässt sich durch die BCS-Theorie von Bardeen, Cooper und Schrieffer erklären. Demnach schließen sich die Leitungselektronen unter Zuhilfenahme von Schwingungen des Kristallgitters zu Cooper-Paaren zusammen, die bei hinreichend tiefer Temperatur ein suprafluides Kondensat bilden. Die hohen Temperaturen, bei denen Pniktide und Kuprate supraleitend werden, lassen sich auf diese Weise nicht erklären. Bei den Kupraten, die normalerweise antiferromagnetische Nichtleiter sind, wird Supraleitung erst nach Dotierung mit Substanzen möglich, die den Kupferoxidebenen im Kupratkristall Elektronen entziehen. Dank der dadurch entstehenden Löcher können sich die zuvor in einem „Verkehrstau“ festsitzenden Elektronen in den Kupferoxidebenen frei bewegen. Vermutlich unter Zuhilfenahme von magnetischen Kräften bilden sich Elektronenpaare und es kommt zur Supraleitung.  

Die Supraleitung der Kuprate ist demnach im Wesentlichen eine zweidimensionale Angelegenheit und damit stark anisotrop. Setzt man ein supraleitendes Kuprat einem homogenen Magnetfeld aus, so wird die Supraleitung bei einer bestimmten kritischen Magnetfeldstärke zerstört, die von der Ausrichtung des Magnetfeldes zum Kristall abhängt. Liegen die Feldlinien parallel zu den Kristallebenen, so kann das Magnetfeld kaum auf die sich in den Ebenen bewegenden Elektronen wirken. Das Feld kann der Supraleitung deshalb nur wenig anhaben und die kritische Feldstärke, bei der die Supraleitung zusammenbricht, ist relativ groß. Stehen die Feldlinien hingegen senkrecht zu den Kristallebenen, so hat das einen starken Einfluss auf die Elektronenbewegung und die kritische Feldstärke ist viel kleiner.  

Es war deshalb vermutet worden, dass auch bei der Hochtemperatursupraleitung der Pniktide die Kristallebenen entscheidend sind. Die supraleitenden Eigenschaften der Pniktide sollten demnach ebenfalls eine starke Richtungsabhängigkeit zeigen. Erste Experimente, bei denen Materialeigenschaften der Pniktide in schwachen Magnetfeldern gemessen wurden, schienen dies zu bestätigen. Doch jetzt haben Forscher aus China und den USA die Richtungsabhängigkeit der kritischen Feldstärke von einkristallinem Ba1-xKxFe2As2 direkt bestimmt und dabei keine nennenswerte Anisotropie beobachtet. Die Pniktidproben wurden dabei Feldstärken von bis zu 150 Tesla ausgesetzt. Die Feldlinien standen dabei entweder senkrecht oder parallel zu den Eisenarsenidebenen. In beiden Fällen zeigte die temperaturabhängige kritische Feldstärke dasselbe Verhalten. Die Kristallebenen schienen demnach für diese „dreidimensionale“ Hochtemperatursupraleitung keine entscheidende Rolle zu spielen.  

Dass die Dinge bei den supraleitenden Pniktiden offenbar komplizierter sind, als man bisher gedacht hatte, legen auch winkelaufgelöste Messungen der Photoemissionsspektren von Ba1-xKxFe2As2 nahe, die man am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden durchgeführt hat. Dabei wurden die Energien der Elektronen gemessen, die durch monochromatische UV-Strahlung aus der Probe herausgeschlagen wurden. Aus den Messdaten rekonstruierten Sergey Borisenko und seine Kollegen die Fermi-Flächen des untersuchten Pniktids, also die Oberfläche im Impulsraum der Elektronen, bis zu der alle Elektronenzustände aufgefüllt waren. Dabei zeigten sich auffällige Strukturen in Form von Rädern mit Speichen, die man bei bisherigen theoretischen Berechnungen nicht gefunden hatte. Diese Strukturen traten sowohl im supraleitenden als auch im normalleitenden Zustand auf. Sie legen nahe, dass die Fermi-Fläche von Ba1-xKxFe2As2, trotz der zweidimensionalen Schichtstruktur des Materials, eine komplizierte räumliche Struktur aufweist. Die Hochtemperatursupraleitung muss also nicht zweidimensional sein.

RAINER SCHARF  


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