20.05.2005

Astronaut Messerschmid wird 60

Vor 20 Jahren kreiste Ernst Messerschmid als Astronaut der ersten deutschen Weltraummission «D-1» 112 mal um die Erde.


Jahre 

Stuttgart (dpa) - Vor 20 Jahren kreiste Ernst Messerschmid als Astronaut der ersten deutschen Weltraummission «D-1» 112 mal um die Erde. Heute drehen sich die Gedanken des vor 60 Jahren, am 21. Mai 1945, in Reutlingen geborenen Wissenschaftlers regelmäßig um Klopapierrollen und Pappschachteln. Als Professor für Astronautik bringt er Studenten der Universität Stuttgart unter anderem bei, wie Raumstationen und Spaceshuttles zu gestalten sind, lässt sie Modelle entwerfen. «Da geht auf dem Gang schon mal das Klopapier aus, denn die Rollen eignen sich sehr gut für die Space Station-Module.»

Der Fokus von Messerschmids Lehre liegt darin, den Studenten Grundlagen für die Arbeit in internationalen Teams zu vermitteln. «Da geht es neben dem fundierten Fachwissen auch um weiche Kriterien wie das Verhandeln in der Fremdsprache und den Umgang mit anderen Kulturen.» Mit Länder übergreifenden Teams hat Messerschmid viel Erfahrung. Seit er 1985 ins All flog, hatte er immer wieder mit Plänen europäischer, russischer und amerikanischer Wissenschaftler für neue Weltraumexpeditionen zu tun.

Bis 2004 leitete Messerschmid das Europäische Astronautenzentrum in Köln, zuvor war er seit 1986 Direktor des Stuttgarter Instituts für Raumfahrtsysteme. Nebenher gründete er vier Firmen, die etwa mit Lärm- und Schadstoffreduktion in Motoren zu tun haben. «Das Ziel aller Wissenschaftler ist es, in 15 Jahren wieder eine bemannte Expedition zum Mond zu schicken und dort eine Außenstation vergleichbar mit heutigen Antarktislaboratorien aufzubauen», sagt Messerschmid. Der Mond könne dabei als Weltraumhafen für weitere Erkundungen dienen. «Außerdem könnte das im Mondstaub vorkommende Helium III zur Erde transportiert werden, das für die Energiegewinnung durch Fusion benötigt wird».

Mit seinen Studenten erörtert Messerschmid immer wieder auch die Frage, was der Anteil der europäischen Raumfahrtsbehörde ESA an künftigen Missionen sein kann. Der Physiker warnt davor, die Aktivitäten weitgehend den Amerikanern zu überlassen. «Die USA wollen immer dominieren und die anderen nur als Mitläufer dulden», sagt der Wissenschaftler. «Den Europäern geht es mehr um Wissenschaft und Bildung.» Allerdings sei das Budget der Amerikaner auch fünf Mal höher als das europäische.

Die Raumfahrt begeisterte Messerschmid von Kindesbeinen an. Nach einer Klempnerlehre studierte er Physik und begann seine wissenschaftliche Karriere dann am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf. 1978 wechselte er zum Vorläuferinstitut des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), wo er ab 1983 für den Raumflug trainierte. «Angst hatte ich bei dem Flug nicht, vielmehr Zutrauen in die Technik und mich selbst», erinnert sich Messerschmid. Einmal im Weltraum sei für solche Gefühle gar keine Zeit mehr gewesen. «Wir haben dort rund um die Uhr an den 76 wissenschaftlichen Experimenten gearbeitet, die man uns aufgetragen hatte.»

Gerne wäre Messerschmid, der dritte deutsche Astronaut nach Sigmund Jähn und Ulf Merbold, noch ein zweites Mal ins Weltall geflogen. «Ich hätte mir gewünscht, die Situation dort oben auch einmal genießen zu können und die Schwerelosigkeit längere Zeit bewusst zu erleben.» Es gebe zudem einige bizarre Besonderheiten bei Raumflügen. «Auf der Erde nicht vorkommende Teilchen regen auch bei geschlossenen Augen die Netzhaut an, und so sieht man im Einschlafen jede Sekunde eine Art Sternschnuppe.» Zu den wenigen persönlichen Experimenten, die Messerschmid auf der Raumstation doch noch anstellte, gehörte ein Selbsttest mit seiner Lieblingsmusik. «Für das All war sie leider viel zu gravitätisch, zu schwer. Es gibt nur wenig für die Schwerelosigkeit geeignete Klänge.»

Arno Schütze, dpa

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