04.10.2012

Auch im Isolator können Elektronen sich bewegen

Röntgenbilder zeigen: Bei starken Feldern wechseln sie zwischen benachbarten Atomen.

Forscher des Max-Born-Instituts in Berlin konnten einen extrem schnellen Austausch von Elektronen zwischen benachbarten Atomen nach Anlegen eines starken optischen Feldes an einen Isolator beobachten. Die räumliche Elektronendichte konnte mit Hilfe von ultrakurzen Röntgenblitzen direkt abgebildet werden.

Abb.: Elektronendichte in einer Einheitszelle eines LiBH4-Kristalls. Während eines Laserimpulses beginnen die Elektronen, zwischen benachbarten Atomen hin und her zu wandern. (Bild: MBI)

Schon in der Schule lernt man, dass jedes Material, insbesondere die Festkörper, entweder als Metall oder Isolator klassifiziert werden kann. Wenn man Pole einer Batterie mit einem Stück Metall verbindet, fließen Elektronen vom Minuspol zum Pluspol, d.h. die angelegte Spannung erzeugt einen elektrischen Strom. Wenn man das gleiche Experiment mit einem Stück nichtleitenden Material macht, misst man dagegen gar keinen elektrischen Strom. Man könnte sich daher fragen, ob die Elektronen in einem Isolator sich überhaupt bewegen, wenn sie einem starken Feld (Spannung) ausgesetzt sind. Und, falls sie sich doch bewegen: wie weit und wie schnell ?

Um diese grundlegende Frage zu beantworten, muss man die Position der Elektronen im Material mit einer räumlichen Genauigkeit von 0,1 nm (0,1 nm = 10-10 m) messen, was ungefähr den Abstand zwischen benachbarten Atomen entspricht. Das ist möglich, wenn man das Material mit Röntgenstrahlen abbildet, die von Elektronen gestreut werden und über deren räumliche Verteilung Auskunft geben. Zusätzlich muss man ein sehr starkes elektrisches Feld anlegen, um die Elektronen von ihren Ursprungsatomen wegzuziehen. Extrem starke elektrische Felder kann man für sehr kurze Zeiten (50 Femtosekunden, 1 fs = 10-15 s) mittels optischer Lichtimpulse erzeugen. Nun berichten Johannes Stingl, Flavio Zamponi, Benjamin Freyer, Michael Woerner, Thomas Elsaesser und Andreas Borgschulte über die erste in-situ-Röntgenabbildung von Elektronen- und Atombewegungen, die von einem starken optischen Feld ausgelöst wurden. Sie haben für das Prototypmaterial LiBH4 eine zeitabhängige „Elektronendichte-Landkarte“ aufgenommen, die aus einer Reihe Schnappschüssen mittels ultrakurzer Röntgenblitze (100 fs) gewonnen wurde. Schnappschüsse zu verschiedenen Zeiten während und nach dem Lichtimpuls bilden einen "Röntgenfilm", der die atomaren und elektronischen Bewegungen im LiBH4-Kristall sichtbar macht.

Zur großen Überraschung der Forscher fand während des zeitlichen Überlapps zwischen optischem Lichtimpuls und Röntgenblitz ein extrem schneller Elektrontransfer von dem BH4-- zu dem benachbarten Li+-Ion statt, das ca. 0,25 nm entfernt liegt. Da das elektrische Feld des Lichtes seine Richtung alle 1,3 fs umkehrt, wird das Elektron zwischen zwei Orten mit sehr hoher Geschwindigkeit, etwa 1 Prozent der Lichtegeschwindigkeit (c = 300.000 km / s) hin und her bewegt. Nach dem Lichtimpuls kehrt das Elektron zu dem BH4--Ion zurück und die ursprüngliche Elektronverteilung ist wiederhergestellt. Neben diesem instantanen und reversiblen Elektrontransfer gibt es keine makroskopischen Ströme, d.h. das Material verhält sich wie ein Isolator. Eine quantitative Analyse zeigt, dass die große Auslenkung der Elektronen zwischen den benachbarten Ionen den Hauptbeitrag zur elektrischen Polarisation ausmacht und die Ursache für viele Nichtlinearitäten bei optischen Frequenzen darstellt. Neben den neuen Einblicken in fundamentale elektrische und optische Eigenschaften von Isolatoren bieten die Experimente an LiBH4 hohes Anwendungspotential für die zeitliche Charakterisierung von ultrakurzen Röntgen-Impulsen.

MBI / DE

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