10.06.2022 • Photonik

Auch unsichtbare Unordnung stoppt Licht

Mehrfache Wechselwirkung zwingt Lichtwellen zur Anderson-Lokalisierung.

Einem Forscherteam aus Deutschland und Israel gelang jetzt der erste experi­mentelle Nachweis eines neuartigen physi­ka­lischen Effekts, der Lichtwellen daran hindert, sich räumlich auszu­breiten. Bisher ging man davon aus, dass dieser Effekt zu schwach sei, um Licht tatsächlich einzusperren. Die Entdeckung der Wissen­schaftler der Uni Rostock und des Technion zeigt jedoch, dass auch für das Licht nahezu unsichtbare Strukturen die Ausbreitung von Lichtwellen stark beeinflussen können.

Abb.: Licht, gefangen in un­sicht­baren Fesseln. (Bild: A. Szameit, U....
Abb.: Licht, gefangen in un­sicht­baren Fesseln. (Bild: A. Szameit, U. Rostock)

Im Jahre 1958 zeigte der US-amerikanische Physiker Philip, dass ein elektrischer Leiter sich plötzlich wie ein elektrischer Isolator verhalten kann, wenn die atomare Gitter­ordnung stark genug gestört ist. Solch eine Unordnung kann die ansonsten frei beweglichen Elektronen schlag­artig an Ort und Stelle lokali­sieren und somit jeglichen Stromfluss unterbinden. Dieses Phänomen erhielt den Namen „Anderson-Lokali­sierung“ und wurde erst mithilfe der modernen Quanten­physik erklärbar, in deren Rahmen Elektronen nicht nur als Teilchen, sondern gleich­zeitig auch als Wellen betrachtet werden. Mittlerweile hat sich dieser Effekt, für dessen Voraussage Anderson 1977 einen Anteil des Nobel­preises in Physik erhielt, als allgemein gültig heraus­gestellt: Unordnung vermag auch die Ausbreitung von Schall­wellen oder sogar Licht­wellen zu stoppen.

Alexander Szameit von der Universität Rostock und Mordechai Segev vom Technion befassen sich in ihren Arbeiten mit den Eigen­schaften von Licht und seiner Wechsel­wirkung mit Materie. Erst jüngst machte das Team um Segev eine verblüffende Entdeckung: Lichtwellen könnten auch von einer neuartigen Unordnung gestoppt werden, die für die Wellen praktisch unsichtbar ist. Diese Art von Unordnung geht weit über Andersons Betrachtung hinaus, da sie bestimmte räumlich periodische Verteilungen stark bevorzugt. Bisher dachte man, dass nur solche Wellen beeinflusst werden können und deshalb eine Anderson-Lokali­sierung zeigen, deren räumliche Strukturen zur Raum­ver­teilung der Unordnung passen. Andere Wellen hingegen breiten sich beinahe ungestört aus.

Wie das Technion-Team jedoch in einer theore­tischen Arbeit voraus­sagte, kann die Ausbreitung von Wellen auch von einer unsichtbaren Unordnung stark beeinflusst werden: Indem Licht­wellen mehrmals hinter­ein­ander mit der nahezu unsicht­baren Unordnung wechsel­wirken, kann ein unerwartet starker Effekt entstehen, der sogar solche Licht­wellen zur Anderson-Lokali­sierung zwingt.

In enger Zusammenarbeit haben die beiden Teams ein Experiment entworfen und durch­ge­führt, das diesen Effekt erstmals demonstriert. „Wir konnten deutlich sehen, dass Licht­wellen selbst dann auf kleine Raum­bereiche begrenzt werden, wenn die Unordnung für sie praktisch unsichtbar sein sollte“, sagt Sebastian Weidemann von der Uni Rostock. Für ihr Experiment erzeugten die Wissen­schaftler die ungeordneten Strukturen künstlich im Labor.

„Dazu haben wir kilometer­lange optische Glasfasern so mitein­ander verknüpft, dass die Licht­aus­breitung in diesen Fasern die Bewegung von Elektronen in ungeordneten Materialien nachahmt“, so Weidemann. Die Entdeckungen sind ein wichtiger Schritt in der Grund­lagen­forschung zur Wellen­aus­breitung in ungeordneten Systemen und bilden potenziell die Grundlage für weitere technische Anwendungen, bei denen Unordnung selektiv Ströme unter­drücken kann – egal ob für Licht, Schall oder Elektronen.

U. Rostock / RK

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