09.09.2019 • Teilchenphysik

Auf der Suche nach dem neutrinolosen doppelten Betazerfall

Halbwertszeit größer als das Zehnbilliardenfache des Weltalters.

Das Standardmodell der Teilchenphysik ist seit seinen Anfängen nahezu unverändert gültig. Widersprüche zwischen Theorie und Experiment haben sich bislang nur bei Neutrinos gezeigt. Die Neutrino-Oszillation war dabei die erste Beobachtung, die nicht mit den Vorhersagen übereinstimmte. Sie beweist, dass Neutrinos im Widerspruch zum Standard­modell eine Masse ungleich Null haben. Hinzu kommt die Vermutung, dass Neutrinos Majorana-Teilchen sind, also anders als alle anderen Bausteine der Materie ihre eigenen Antiteilchen sind. Das würde auch eine Erklärung dafür liefern, warum es im Universum viel mehr Materie als Antimaterie gibt.

Abb.: Arbeiten an den Germanium-Detektoren im Reinraum des unterirdischen...
Abb.: Arbeiten an den Germanium-Detektoren im Reinraum des unterirdischen Labors von Gran Sasso. (Bild: J. Suvorov, GERDA)

Zur Überprüfung der Majorana-Vermutung sucht die internationale GERDA-Kollaboration nach dem bisher nicht beobachteten neutrinolosen doppelten Betazerfall im Germanium-Isotop 76-Ge: Dabei wandeln sich zwei Neutronen in einem 76-Ge-Kern gleich­zeitig in zwei Protonen um, wobei zwei Elektronen emittiert werden. Dieser Zerfall ist im Standard­modell verboten, da die beiden Antineutrinos – die ausgleichende Antimaterie – fehlen. GERDA ist das erste Experiment auf dem Gebiet, das den störenden Untergrund soweit reduzieren konnte, dass der gesuchte neutrino­lose doppelte Betazerfall, sofern er existiert, eine Halbwertszeit von mindestens 1026 Jahren haben muss, das ist das Zehn­billiarden­fache des Alters des Universums.

Die Physiker wissen, dass Neutrinos mindestens hundert­tausend Mal leichter sind als Elektronen, die nächst­schwereren Teilchen. Welche Masse sie genau haben, ist allerdings noch unbekannt und ein weiteres wichtiges Forschungsthema. Interessanter­weise korrespondiert die Halbwertszeit des neutrino­losen doppelten Betazerfalls mit einer speziellen Variante der Neutrino­masse, der Majorana-Masse. Kombiniert man das neue GERDA-Ergebnis mit denjenigen anderer Doppel-Beta-Zerfalls­experimente, so muss diese Masse sogar mindestens eine Million Mal kleiner sein als die des Elektrons.

Jetzt von GERDA vorgestellte Beobachtungen wurden mit einer Detektormasse von 35,6 kg 76-Ge gemacht. Eine neue internationale Zusammenarbeit unter dem Namen LEGEND wird nun die Detektormasse bis 2021 auf 200 kg 76-Ge erhöhen und die Störungen so weit reduzieren, dass nach fünf Jahren für die Halbwertszeit des neutrino­losen doppelten Betazerfalls eine Empfindlich­keit von 1027 Jahren erreicht wird.

TUM / RK

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