22.10.2020 • Biophysik

Auflösungsrekord in der Kryo-Elektronenmikroskopie

Bislang schärfste Bilder zeigen erstmals einzelne Atome in einer Proteinstruktur.

Eine entscheidende Auflösungsgrenze in der Kryo-Elektronen­mikro­skopie ist geknackt: Holger Stark und sein Team am MPI für bio­physi­kalische Chemie haben zum ersten Mal einzelne Atome in einer Protein­struktur beobachtet und die bisher schärfsten Bilder mit dieser Methode aufgenommen. Mit solch detail­lierten Einblicken lässt sich besser verstehen, wie Proteine in der lebenden Zelle ihre Arbeit verrichten oder Krank­heiten hervor­rufen. Auch kann die Technik zukünftig eingesetzt werden, um Wirk­stoffe für neue Medika­mente zu entwickeln.

Abb.: Die Kryo-Elektronen­mikro­skopie hat erstmals einzelne Atome in einem...
Abb.: Die Kryo-Elektronen­mikro­skopie hat erstmals einzelne Atome in einem Protein sichtbar gemacht. Die Darstellung zeigt einen Teil des Apoferritin-Proteins (gelb), bei dem eine Tyrosin-Seiten­kette grau mit einzelnen Atomen (rot) hervor­ge­hoben ist. (Bild: H. Stark, MPIBPC)

Seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie ermitteln Wissen­schaftler weltweit die Strukturen wichtiger Schlüssel­proteine des SARS-CoV-2-Virus in 3D. Ihr gemeinsames Ziel ist es, Andock­stellen für einen Wirk­stoff zu finden, mit dem der Erreger wirksam bekämpft werden kann. Möglich macht dies unter anderem die Kryo-Elektronen­mikro­skopie, mit der sich drei­dimen­sionale Strukturen von Bio­molekülen sichtbar machen lassen. Eine große Heraus­forderung, denn diese sind in ihrer Struktur äußerst flexibel. Um die wuseligen Moleküle einzu­fangen, ohne sie zu beschädigen, werden diese extrem schnell abgekühlt. Die tief­ge­frorenen Proben werden mit Elektronen beschossen und die resul­tie­renden Bilder aufge­nommen. Aus den Aufnahmen kann dann die drei­dimen­sionale Struktur der Moleküle berechnet werden.

Starks Gruppe erreichte nun einen entscheidenden Auflösungs­rekord mit einem bisher einzig­artigen Kryo-Elektronen­mikro­skop, das das Team neu entwickelt hat. „Unser Mikroskop besitzt zwei zusätzliche optische Elemente, mit denen wir die Bild­qualität und Auf­lösung weiter verbessern konnten. Diese sorgen dafür, dass Abbildungs­fehler optischer Linsen keine Rolle mehr spielen“, erklärt Stark.

Mehr als eine Million Bilder des Proteins Apoferritin hat das Forscher­team mit dem neuen Mikroskop aufge­nommen, um die Molekül­struktur mit einer Auflösung von 0,125 Nano­metern abzubilden. „Damit werden einzelne Atome im Protein sichtbar – ein Meilen­stein auf unserem Gebiet“, erklärt Stark. Die neue Struktur enthüllt nie zuvor gesehene Details. „Selbst an das Apoferritin gebundene Wasser­moleküle und Dichten für die Wasser­stoff-Atome können wir sehen,“ so der Forscher.

Doch welchen Nutzen hat es, eine Protein­struktur derart hoch­auf­gelöst unter­suchen zu können? Will man die Funktions­weise von Proteinen entschlüsseln, muss man die exakte Lage aller ihrer Atome kennen. Solche detail­lierten Einsichten sind auch eine wichtige Grundlage für das struktur­basierte Medika­menten­design. Wirkstoff­moleküle für Medika­mente werden dafür so maßge­schneidert, dass sie beispiels­weise an Virus-Proteine binden und diese in ihrer Funktion blockieren.

Doch welcher Mechanismus liegt der Hemmung zugrunde? Dieser lässt sich nur aufklären und verstehen, wenn die Wechsel­wirkung zwischen Wirkstoff und Virus-Protein auf atomarer Ebene beobachtet werden kann. Die so gewonnenen Erkennt­nisse tragen dazu bei, Wirkstoff­moleküle für Medika­mente zu verbessern und Neben­wirkungen zu reduzieren. „Mit dem jetzigen Schritt der Auflösungs­verbes­serung hat die Kryo-Elektrone­nmikro­skopie ein Niveau erreicht, auf dem der Nutzen für pharma­zeutische Entwick­lungen direkt sichtbar wird“, so Stark.

MPIBPC, RK

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