Aus Infrarot mach Rot
Speziell geformte und funktionalisierte optische Faser dient als nichtlinearer Lichtkonverter.
Rot wird nicht Grün und infrarotes Licht nicht plötzlich sichtbar, wenn man es durch einen Lichtleiter schickt. Denn Licht ändert seine Wellenlänge nicht einfach so. Es sei denn, man greift zu einem Trick. Einen solchen hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Uni Jena jetzt erstmals in optischen Fasern effektiv anwenden können. Ihm ist es gelungen, optische Fasern so zu funktionalisieren, dass sie unsichtbares Infrarot-Licht in rotes Licht verwandeln. Ihre Spezialfasern könnten künftig als Miniatur-Lichtkonverter nutzbar sein.
Computer, Handys oder Superrechenzentren werden immer leistungsfähiger. Unvorstellbare Datenmengen werden dabei verarbeitet und in immer kürzerer Zeit um die Welt transportiert. Negativer Effekt: Auch der Energieverbrauch der Chips, die dafür nötige Rechenleistungen vollbringen, wächst gigantisch. Im Pandemiejahr 2020 haben allein die Rechenzentren in Deutschland 16 Milliarden Kilowattstunden Energie verbraucht, hat das Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit gGmbH ermittelt.
„Das Problem dabei ist, dass Chips mit gängigen Halbleiter-Materialien beinahe fünfzig Prozent der Energie nur für die Bewegung von Informationen mittels Elektronen verbrauchen. Wenn wir einen energiesparenderen Datentransport als mit Elektronen finden, könnte ein Handy-Akku länger halten, bis er wieder aufgeladen werden müsste“, beschreibt Falk Eilenberger, Leiter der Forschungsgruppe „Photonics in 2D-Materials“ am Institut für Angewandte Physik der Friedrich-Schiller-Universität Jena, einen Vorteil, den wohl alle Handy-User gern nutzen würden; ganz zu schweigen von den Millionen Kilowattstunden, die in Rechenzentren und Servern eingespart werden könnten, über die Cloud-Computing und Videostreaming funktionieren.
Auch deshalb sind die Forscher um Falk Eilenberger auf der Suche nach Alternativen für die energiefressenden Elektronen. Sie setzen dabei auf Photonen als Medium – auch für den Datentransport – und auf Lichtleiter aus Glas. Allerdings sind einfache Lichtleitfasern dafür nicht geeignet. Sie müssen speziell konstruiert und aufgerüstet werden, um neue Funktionen übernehmen zu können. Das Team im Forschungsbereich von Eilenberger, allen voran Doktorand Quyet Ngo, nutzt dafür 2D-Materialien – Stoffe, die nur aus einer Lage von Atomen bestehen.
„Unsere Idee war, mit Hilfe dieser neuen Materialien die Eigenschaften des Lichts zu verändern“, erklärt er – zum Beispiel seine Wellenlänge und damit seine Farbe. „Normalerweise ändert Licht seine Farbe nicht“, ergänzt Falk Eilenberger. „Außer, viel Licht tritt in Wechselwirkung mit besonderen Materialien, etwa bestimmten Kristallen“. Doch die seien schwer zu handhaben.
Für das Jenaer Team sind 2D-Materialien die bessere Alternative. „Im konkreten Fall haben wir mit einem sehr alten Material experimentiert, mit Molybdän-Disulfat“, berichtet Quyet Ngo. Dies werde schon lange als Schmiermittel in Motorölen verwendet. In Jena wurde ein Weg gefunden, diesem Material eine neue Hightech-Aufgabe zu übertragen: Licht zu verändern.
Dafür mussten die Forscher allerdings auch die Lichtleitfasern modifizieren. Dabei griffen sie auf besonders geformte Fasern zurück, die vom Team um Markus Schmidt am Jenaer IPHT und Heike Heidepriem-Ebendorff an der Universität Adelaide entwickelt wurden. „Diese Fasern sind wie ein hohles ‚C‘ geformt, wodurch das Licht nicht mittig, sondern mehr an der Oberfläche geführt wird“, erklärt Ngo. Das erleichtere die Reaktion der Lichtteilchen mit dem 2D-Material. Jenes wird in der Jenaer Versuchsanordnung übrigens nicht separat erzeugt und in einem komplizierten Verfahren auf die Glasfaser aufgebracht, sondern wächst direkt in deren Vertiefung – wie in einer Petrischale.
Der Reaktor, in dem das bei etwa 700 Grad Celsius passiert, steht im Institut für physikalische Chemie der Jenaer Universität. „Hier konnten wir auf die Forschungsergebnisse von Andrey Turchanin zurückgreifen, der die Technologie entwickelt hat, mit der die neuartigen 2D-Materialien effektiv und großflächig gezüchtet werden können“, sagt Falk Eilenberger. „Erst durch die Kombination der speziellen Fasern aus dem IPHT mit dem 2D-Material aus dem Institut für physikalische Chemie und den technischen Lösungen aus der Arbeitsgruppe vom Kollegen Eilenberger war letztlich das jetzt vorliegende Ergebnis möglich“, ergänzt Andrey Turchanin. Außerdem habe man sich auf Forschungsergebnisse der Universitäten in Sydney und Adelaide stützen können. Insgesamt hätten 15 Leute aus sechs Institutionen an dem Thema zusammengearbeitet.
„In den Glasfasern, die eine hauchdünne Schicht Molybdän-Disulfat tragen, ist es uns gelungen, infrarotes Licht in rotes Licht umzuwandeln. Wir schicken das Licht mit einer Wellenlänge von 1240 Nanometern durch die Faser und es kommt am Ende mit 620 Nanometern heraus“, erklärt Ngo. Damit sind die Jenaer Forscher die ersten weltweit, denen es gelungen ist, optische Fasern dergestalt zu funktionalisieren, dass sie in Zukunft beispielsweise als nichtlineare Lichtkonverter nutzbar sein können.
Licht derart verändern zu können, eröffne beispielsweise in der Lasertechnik neue Möglichkeiten – gerade in Jena, wo Laser ein großes Thema seien, ist Falk Eilenberger überzeugt. „Ich denke, unsere Technologie wird hier im Werkzeugkasten der optischen Fasern noch vielfältig Anwendung finden.“ Die Vorteile lägen auf der Hand: Die Technologie funktioniere bei Raumtemperatur, das Material sei chemisch robust, gut zu verarbeiten und biete interessante Eigenschaften. Denkbar sei, es in mehreren Schichten auf den Fasern wachsen zu lassen oder es weiter zu modifizieren, um mehr Interaktionen mit dem Licht zu erreichen. Quyet Ngo, der die aktuellen Forschungsergebnisse in seiner Doktorarbeit ausführlich beschreiben wird, will künftig die Nutzung des neuen Materials in der Sensortechnik ausloten.
Was die anfangs erwähnte Problematik der Energiefresser-Chips angeht, sind Eilenberger und Ngo optimistisch: „Was auf Glas wächst, wächst auch auf Silizium“. Dass demnächst Photonen statt Elektronen zum digitalen Datentransfer eingesetzt werden können, ist für sie keine Utopie. Die Erfindung ist durch die Zusammenarbeit von vier Arbeitsgruppen des Sonderforschungsbereiches NOA der Universität Jena mit Partnern am Fraunhofer IOF, Leibniz IPHT sowie an den Universitäten in Sydney und Adelaide (Australien) gelungen.
U. Jena / DE