27.04.2018

Babyboom im jungen Universum

Bildung riesiger Galaxienhaufen beflügelte schon kurz nach dem Urknall eine starke Sternentstehung.

Mit den ALMA- und APEX-Radio­teleskopen in Chile ist es zwei inter­nationalen Forscher­teams unter Beteiligung von Wissenschaftlern vom Bonner Max-Planck-Institut für Radio­astronomie gelungen, unglaublich dichte Konzentrationen von Galaxien nachzuweisen, die gerade dabei sind, mit­einander zu fusionieren und damit die Kern­zellen für die Entstehung von gigantischen Galaxien­haufen zu bilden.

Abb.: Galaxiengruppe SPT 2349 in zunehmender Vergrößerung. Links: Südpol-Teleskop (SPT); Mitte: APEX; rechts: ALMA (Bild: ESO / ALMA / NAOJ / NRAO / Miller et al.)

Das „Atacama Large Millimeter/submillimeter” Array (ALMA) und das „Atacama Pathfinder Experiment” (APEX) haben tief ins Universum geblickt, und damit auch zurück in eine Zeit, als das Universum nur rein Zehntel seines heutigen Alters hatte. Dadurch wurden sie Zeugen des Beginns einer gewaltigen Ansammlung von Materie durch Zusammen­stöße von jungen Galaxien mit heftiger Stern­entstehung. Die Astronomen hatten bisher angenommen, dass solche Ereignisse zirka Milliarden Jahre nach dem Urknall stattgefunden hätten. Es war eine große Über­raschung, als die neuen Beobachtungen zeigten, dass dies sich bereits viel früher ereignete, als das Universum nur halb so alt war. Aus solchen Galaxien­systemen, so nimmt man an, entstehen die masse­reichsten Strukturen überhaupt im bekannten Universum, nämlich Galaxien­haufen.

Zwei internationale Forscherteams, angeführt von Tim Miller von der Dalhousie-Universität in Kanada und der Yale-Universität in den USA, sowie Iván Oteo von der Universität von Edinburgh in Groß­britannien haben beide Teleskope, ALMA and APEX, dafür eingesetzt, über­raschend dichte Konzentrationen von Galaxien nachzuweisen, die zwangs­läufig miteinander verschmelzen und dadurch die Keimzellen für die Entstehung von Galaxienhaufen bilden.

Mit dem Blick über neunzig Prozent des Wegs im beobacht­baren Universums hat das erste Team einen entstehenden Galaxien­haufen mit der Bezeichnung SPT 2349-56 unter­sucht. Das Licht von diesem Objekt wurde ausgestrahlt, als das Universum nur ein Zehntel seines derzeitigen Alters hatte.

Die einzelnen Galaxien in dieser dichten kosmischen Anhäufung und die Konzentration von heftiger Stern­entstehung in einem solch eingegrenzten Bereich macht dieses Objekt zur aktivsten Region überhaupt, die jemals im frühen Universum beobachtet wurde. Insgesamt 15.000 Sterne werden dort in einem Jahr neu geboren, im Vergleich zu nur einem Stern, der in unserer Milch­straße jährlich neu entsteht.

Die Wissenschaftler des zweiten Teams haben durch die Kombination von Beobachtungen mit ALMA und APEX ein ähnliches Mega­fusions-Objekt gefunden, zusammen­gesetzt aus zehn staub­reichen stern­bildenden Galaxien. Sie gaben ihm den Spitz­namen „Roter Staubkern”, aufgrund der intensiven roten Farbe der Quelle.

Die neu entstehenden Galaxien­haufen wurden zunächst als schwache (Radio-)Licht­flecken in Beobachtungen mit dem Süd­pol-Teleskop und dem Weltraum­teleskop „Herschel”entdeckt. Die darauf folgenden Beobachtungen mit APEX und mit ALMA konnten dann zeigen, dass sie eine ungewöhnliche Struktur aufweisen und dass ihre Strahlung wesentlich älter ist als erwartet – aus einer Zeit nur anderthalb Milliarden Jahre nach dem Urknall.

Die neuen ALMA-Beobachtungen mit hoher Auflösung haben schließlich gezeigt, dass die beiden mit APEX und Herschel beobachteten „Licht­flecken” keine Einzel­objekte darstellen, sondern sich aus einmal 14 und einmal 10 sehr masse­reichen Galaxien zusammen­setzen, jede davon mit einem Radius, der dem Abstand zwischen unserer Milch­straße und den benach­barten Magellanschen Wolken entspricht.

„Die Gesamtdauer des Stern­entstehungs­ausbruchs in jeder der Galaxien ist kurz im Vergleich zur Zeit­skala der Entwicklung zu einem Galaxien­haufen”, erklärt Axel Weiss vom Max-Planck-Institut für Radio­astronomie, der als Koautor an beiden Veröffentlichungen beteiligt ist. „Die Tatsache, dass wir so viele Galaxien in beiden Haufen gleich­zeitig in dieser Star­burst-Phase sehen, deutet entweder auf einen bisher unbekannten Mechanismus, der die Stern­entstehungs­aktivität über Hundert­tausende von Licht­jahren hinweg anregt, oder aber auf die Existenz von Gas­strömen aus dem ursprünglichen kosmischen Netz, die den Gas­vorrat in diesen aktiven Galaxien jeweils wieder auffüllen.”

„Die neuen Entdeckungen mit ALMA stellen nur die Spitze des Eis­bergs dar. Zusätzliche Beobachtungen mit APEX haben schon gezeigt, dass die tatsächliche Anzahl dieser stern­bildenden Galaxien sogar dreimal höher sein dürfte. Mit den zur Zeit laufenden Beobachtungen mit dem MUSE-Instrument am ESO-VLT werden ebenso weitere Galaxien identifiziert”, stellt Carlos De Breuck fest, Astronom der Europäischen Süd­stern­warte ESO.

Die momentanen theoretischen und numerischen Modelle lassen darauf schließen, das derart masse­reiche Galaxien­haufen eine wesentlich längere Entwicklungs­zeit benötigen sollten. Mit den Beobachtungs­daten von ALMA mit seiner hervor­ragenden Winkel­auflösung und Empfindlichkeit als Input für neue ausgefeilte Computer­simulationen sind die Wissenschaftler nun in der Lage, die Entstehung von Galaxien­haufen weniger als andert­halb Milliarden Jahre nach dem Urknall zu erforschen.

„Wie diese Ansammlung von Galaxien so schnell gewachsen ist, bleibt ein Rätsel. Das ereignete sich nicht allmählich über Milliarden von Jahren, wie wir Astronomen vielleicht erwartet hätten. Unsere Entdeckung bietet eine hervor­ragende Gelegenheit, zu untersuchen, wie aus masse­reichen Galaxien diese gewaltigen Galaxien­haufen entstehen”, schließt Tim Miller, Doktorand an der Yale-Universität.

MPIfR / DE

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