07.08.2012

Ballonfahrt mit kosmischer Ausstrahlung

Vor 100 Jahren entdeckte Victor Hess die kosmische Strahlung.

Am 7. August 1912, gegen Mittag, landete der österreichische Physiker Victor Hess (1883 – 1964) mit seinem Ballon im brandenburgischen Bad Saarow / Pieskow. Auf seiner siebten Ballonfahrt im Jahr 1912 hatte er eine Höhe von über 5300 Meter erreicht. Zurück brachte er Messergebnisse über die Ionisierung der Atmosphäre, die ein neues Fenster der Astronomie öffnen sollten. Denn Hess konnte zweifelsfrei nachweisen, dass die Ionisation mit zunehmender Höhe anstieg. Seine Vermutung, dass es sich bei der Ursache um extraterrestrische Strahlung handeln musste, erwies sich schließlich als richtig und begründete so die Astroteilchenphysik.

Victor Franz Hess (vorn im Korb) vor dem Start seines Ballons (Universität...
Victor Franz Hess (vorn im Korb) vor dem Start seines Ballons (Universität Wien9

Der hundertste Jahrestag der Entdeckung der kosmischen Strahlung ist Anlass für ein Symposium, das von DESY, der Universität Potsdam und dem Berliner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte organisiert wird. Seit gestern treffen sich in Bad Saarow Wissenschaftler aus aller Welt, um die Entwicklung der vielen Gebiete der Astroteilchenphysik von den historischen Anfängen bis hin zu Ideen für neue Projekte zu präsentieren und diskutieren. Neben dem Physiknobelpreisträger James Cronin, der das bislang größte Observatorium für kosmische Strahlung „Pierre Auger“ in Argentinien mitentworfen hat, sind auch die Enkel von Victor Hess, William und Arthur Breisky, zu Gast. Sie werden einen Gedenkstein enthüllen.

Der Teilchenphysiker Michael Walter, Mitorganisator des Hess-Symposiums, zeichnet in der Juni-Ausgabe des Physik Journals die spannende Geschichte der kosmischen Strahlung nach. Die Entdeckung der Röntgenstrahlen und der Radioaktivität lag rund 15 Jahre zurück und hatte Forschung und Technik beflügelt. Die zweifelsfreie Bestätigung der kosmischen Strahlung und ihre Anerkennung durch die Fachwelt ließ jedoch einige Jahre auf sich warten, nicht zuletzt wegen des Ersten Weltkriegs. Auch musste Hess später seine Priorität gegenüber dem amerikanischen Physiker Robert Millikan durchsetzen und erhielt erst 1936 den Physik-Nobelpreis für seine Entdeckung.

Victor Hess konnte 1912 die weitreichenden Konsequenzen seiner Forschungsergebnisse noch nicht erahnen. Vor der Entwicklung irdischer Teilchenbeschleuniger ließen sich mit Hilfe der kosmischen Strahlung neue Elementarteilchen entdecken, wie Positron, Myon und Pion. Die Astroteilchenphysik, zu der Hess den Grundstein gelegt hatte, etablierte sich schließlich in den 1980er-Jahren als eigenständiges Forschungsgebiet an der Schnittstelle von Teilchenphysik, Astronomie und Kosmologie. Kosmische Gammastrahlung, Protonen, aber auch Neutrinos und Gravitationswellen liefern weitreichende Einblicke in unterschiedlichste und extreme Vorgänge im Universum. Das breite Spektrum dieser Forschungen präsentiert das Physik Journal-Dossier „Astroteilchenphysik“.

Heute erinnert das H.E.S.S-Experiment (High Energy Stereoscopic System) an den Entdecker der kosmischen Strahlung. Es befindet sich auf 1800 Meter Höhe im Khomas-Hochland von Namibia. Diese Teleskopanlage beobachtet die energiereichsten Gammastrahlen aus dem All. Hier erhoffen sich Physiker Aufschluss über die Natur der kosmischen Teilchenbeschleuniger, die millionenfach stärker sind als die stärksten Beschleuniger der Erde.

Alexander Pawlak / DESY

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