09.08.2018

Bandlücken in Graphen-Nanobändern

Elektronische Eigenschaften des Kohlenstoffmaterials lassen sich gezielt manipulieren.

Nanobänder aus Graphen sind nur wenige Kohlenstoff­atome breit und genau ein Atom dick sind. Sie besitzen je nach Form und Breite ganz unter­schiedliche elek­tronische Eigen­schaften: Leiter, Halbleiter oder aber Isolator. Einem inter­nationalen Forschungs­team ist es nun gelungen, durch eine gezielte Variation der Form der Bänder deren Eigen­schaften präzise einzu­stellen. Das Besondere daran: Damit lassen sich nicht nur die gewöhnlichen elek­tronischen Eigen­schaften verändern – auch die Erzeugung spezieller lokaler Quanten­zustände ist durch diese Tech­nologie möglich.

Abb.: Wenn Graphen-Nanobänder Sektionen verschiedener Breite enthalten, so können in den Übergangszonen sehr robuste neue Quantenzustände entstehen. (Bild: Empa)

Wenn sich die Breite eines schmalen Graphen-Nanobands ändert, in diesem Fall von sieben auf neun Atome, entsteht am Übergang eine spezielle Zone: Weil sich die elek­tronischen Eigen­schaften der beiden Bereiche auf eine besondere, topo­logische Art unter­scheiden, entsteht in der Übergangs­zone ein geschützter und damit sehr robuster neuer Quanten­zustand. Diesen örtlich begrenzten elektronischen Quanten­zustand kann man nun als Grund­baustein nutzen, um maßge­schneiderte Halbleiter, Metalle oder Isolatoren zu erzeugen – und möglicher­weise sogar einmal als Bauelement in Quanten­computern einzusetzen.

Die Forscher des schwei­zerischen Instituts Empa unter der Leitung von Oliver Gröning konnten zeigen: Werden die Bänder so gebaut, dass sich unter­vschiedlich breite Bereiche regelmäßig abwechseln, dann entsteht durch die vielen Übergänge eine Kette von unter­einander verknüpften Quanten­zuständen mit einer eigenen elek­tronischen Struktur. Das Spannende daran: Je nach Breite der unter­schiedlichen Segmente ändern sich die elek­tronischen Eigen­schaften der Kette. Dadurch lassen sich diese fein einstellen – vom Leiter zu Halbleitern mit unter­schiedlich großen Bandlücken. Dieses Prinzip lässt sich auf viele verschiedene Übergangs­zonen anwenden – zum Beispiel auch auf diejenige von sieben auf elf Atome.

„Die Bedeutung dieser Entwicklung wird auch dadurch unter­strichen, dass eine Forschergruppe der University of Cali­fornia, Berkeley, unabhängig von uns zu analogen Ergeb­nissen gekommen ist“, so Gröning. Auf Basis dieser neuartigen Quanten­ketten könnten sich künftig präzise Nano­transistoren herstellen lassen – ein grund­legender Schritt auf dem Weg zur Nano­elektronik. Denn ob der Schalt­abstand zwischen dem „1“-Zustand und dem „0“-Zustand des Nano­transistors auch tatsächlich genügend groß ist, hängt von der Bandlücke des Halbleiters ab – und mit der neuen Methode lässt sich diese fast beliebig einstellen.

Damit aber die Kette die gewünschten elek­tronischen Eigen­schaften erhält, muss jedes einzelne der mehreren hundert oder gar tausenden Atome auch am richtigen Ort sein. „Dahinter steckt eine komplexe, inter­disziplinäre Forschungs­arbeit“, so Gröning. „Dabei arbeiteten Forscher aus unter­schiedlichen Fach­gebieten in Dübendorf, Mainz, Dresden, und Troy (USA) zusammen – vom theo­retischen Verständnis über das spezifische Wissen, wie Vorläufer­moleküle gebaut werden müssen und wie man die Strukturen auf Oberflächen gezielt wachsen lassen kann, bis hin zur struk­turellen und elek­tronischen Analyse mittels eines Rastertunnel­mikroskops.“

Abb.: Rasterkraftmikroskopische Aufnahme (o.) eines hybriden Graphen Nanobandes mit 5 „Karo“-Segmenten in der Mitte welche durch glatte 7-Nanobänder fortgesetzt wird. Rastertunnelspektroskopaufnahme (m.) der lokalisierten Quantenzustände an den beiden Enden des Karobereiches. Simulation der Rastertunnelspektroskopie (u.): Theoretische Vorhersage wie die zu erwarteten Quantenzustände am Ende des Karosegmentes im Experiment aussehen sollten. (Bild: Empa)

Ultra­kleine Tran­sistoren – und damit der nächste Schritt in der weiteren Minia­turisierung elek­tronischer Schaltkreise – liegen hier als Anwendungs­möglichkeit nahe: Sie sind zwar eine technische Heraus­forderung, doch eigentlich funktioniert Elektronik, die auf Nano­transistoren aufgebaut ist, nicht fundamental anders als die heutige Mikro­elektronik. Die von den Forschern herge­stellten halb­leitenden Nanobänder würden es erlauben, Transistoren mit einem 1000-mal kleineren Kanal­querschnitt als heute üblich zu realisieren. Es lassen sich aber auch weiter­gehende Möglich­keiten vorstellen, etwa im Bereich der Spintronik oder gar der Quanten­informatik.

Denn die elek­tronischen Quanten­zustände an bestimmten Übergängen verschieden breiter Graphen-Nano­bänder können zusätzlich auch ein magne­tisches Moment tragen. Dies könnte es ermöglichen, Information nicht wie bisher üblich durch Ladung, sondern durch den Spin zu verarbeiten. Und die Entwicklung könnte sogar noch einen Schritt weitergehen. „Wir haben beobachtet, dass an den Enden bestimmter Quanten­ketten topo­logische Endzu­stände auftreten. Dies bietet die Möglichkeit, diese als Qubits zu nutzen – die komplexen, untereinander verschränkten Zustände in einem Quanten­rechner“, erklärt Gröning.

Heute und morgen wird aber noch kein Quanten­computer aus Nanobändern gebaut – es sei noch einiges an Forschung nötig, so Gröning: „Die Möglich­keit, die elek­tronischen Eigenschaften durch die gezielte Verknüpfung einzelner Quanten­zuständen flexibel einzustellen, stellt für uns einen großen Sprung in der Herstellung neuer Materialien für ultra­miniaturisierte Transistoren dar.“ Dabei spielt die Tatsache, dass diese Materialien unter Umgebungs­bedingungen stabil sind, für die Entwicklung künftiger Anwen­dungen eine wichtige Rolle. „Faszinierend ist allerdings auch das weiter­gehende Potenzial der Ketten, lokale Quanten­zustände zu erzeugen und diese gezielt miteinander zu verknüpfen“, so Gröning weiter. „Ob sich dieses Potenzial auch tatsächlich für künftige Quanten­rechner nutzen lässt, ist allerdings noch völlig offen.“ Denn hier genüge es nicht, loka­lisierten topo­logische Zustände in den Nano­bändern zu erzeugen – diese müssten auch mit andern Materialien wie Supra­leitern so gekoppelt werden, dass die Voraus­setzungen für Qubits tatsächlich gegeben sind.

Empa / JOL

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