Bewegung senkrecht zum antreibenden Feld
Anomale Geschwindigkeit von Ladungsträgern in Festkörpern erstmals mit Subpikosekunden-Auflösung untersucht.
Die Bewegung von Ladungsträgern senkrecht zu einem antreibenden elektrischen Feld – und dies ohne Magnetfeld – stellt eine der verblüffendsten Eigenschaften von Ladungsträgern in Festkörpern dar. Diese anomale Geschwindigkeit führt zu faszinierenden physikalischen Phänomenen wie dem Spin-Hall-Effekt und dem anomalen Hall-Effekt und könnte für zukünftige Anwendungen in der Spintronik und sogar für neue Quantencomputer wichtig sein. Forschern der PTB ist es nun gelungen, diese anomale Geschwindigkeit in einem Halbleiter aus GaAs mit einer Zeitauflösung im Subpikosekunden-Bereich nachzuweisen und zu messen. Die Untersuchungen ermöglichen zum einen neue Aufschlüsse über die mikroskopischen Ursachen der anomalen Geschwindigkeit und eröffnen zum anderen ein neues Forschungsgebiet, da wichtige physikalische Prozesse nun zeitaufgelöst untersucht werden können.
Abb.: Schematische Darstellung der anomalen Geschwindigkeit: Ladungsträger mit einer gewissen Spinausrichtung (grüne Pfeile) werden in einem elektrischen Feld beschleunigt und erfahren eine Geschwindigkeitskomponente senkrecht zum elektrischen Feld. (Abb.: PTB)
Die anomale Geschwindigkeit hat verschiedene mikroskopische Ursachen, wobei zwischen intrinsischen und extrinsischen Beiträgen unterschieden wird. Der intrinsische Beitrag hängt von den intrinsischen Eigenschaften des Festkörpers ab, während der extrinsische Beitrag durch Streuung der Ladungsträger zustande kommt. Trotz intensiver Untersuchungen der anomalen Geschwindigkeit in den letzten Jahren ist es bisher nicht gelungen, ein einfaches Verfahren zu entwickeln, mit dem zweifelsfrei zwischen intrinsischen und extrinsischen Beiträgen unterschieden werden kann. Zudem ist die anomale Geschwindigkeit noch nicht auf sehr kurzen Zeitskalen untersucht wurden, in denen zum Beispiel kohärente Effekte signifikante Auswirkungen auf die anomale Geschwindigkeit haben können.
Die Forscher der PTB haben einen Halbleiter aus GaAs mit einem optischen Femtosekundenlaser und einem gepulsten Hochfrequenzfeld angeregt. Während der optische Laserpuls Ladungsträger mit einer speziellen Spinausrichtung erzeugt, beschleunigt das Hochfrequenzfeld diese Ladungsträger. Dabei bekommen die Ladungsträger nicht nur eine normale Geschwindigkeit parallel zum antreibenden Hochfrequenzfeld, sondern auch die anomale Geschwindigkeit senkrecht dazu. Durch eine zeitaufgelöste Analyse der von der Probe emittierten elektromagnetischen Strahlung konnte die anomale Geschwindigkeit nachgewiesen werden.
Die PTB-Forscher haben gezeigt, dass zeitaufgelöste Messungen der anomalen Geschwindigkeit eminent wichtig für deren weitergehendes Verständnis sind. Zum einen ermöglichen solche Studien die Unterscheidung von intrinsischen und extrinsischen Effekten, da diese zu einer unterschiedlichen Stromdynamik führen. Zum anderen können mit der entwickelten Messtechnik neuartige Untersuchungen zur Abhängigkeit der anomalen Geschwindigkeit von Impuls und Energie der involvierten Ladungsträger realisiert werden. Dies ermöglicht wiederum weitergehende Untersuchungen anderer wichtiger physikalischer Phänomene.
PTB / RK