Blick in die galaktische Geschichte
Umlaufbahnen von Doppelsternen sind eine Folge der zeitlichen Entwicklung der Milchstraße.
Doppelsternsysteme, die aus einem heißen, blauen Zwergstern und einem sonnenähnlichen Stern bestehen, können den Astronomen einen Einblick in die Geschichte der Milchstraße liefern. Das zeigt die Studie eines Forschertrios aus Deutschland, Schweden und Chile. „Die Umlaufbahnen der Doppelsterne zeigen einen starken Zusammenhang zwischen den Umlaufperioden und Sternmassen, der mit bekannten Modellen stellarer Wechselwirkungen nur sehr schwer zu erklären ist“, sagt der Joris Vos von der Uni Potsdam. „Wir haben herausgefunden, dass sich die Umlaufbahnen der von uns untersuchten Doppelsternsysteme direkt aus der zeitlichen Entwicklung der Galaxis ergeben.“
Die blauen Zwergsterne dieser Paare – von den Astrophysikern als Unterzwerge bezeichnet – sind Kerne von roten Riesensternen, die Helium verbrennen und ihre äußeren Schichten aufgrund der Gravitationskraft ihrer sonnenähnlichen Begleiter verloren haben.
Zur Zeit der Entstehung der Milchstraße enthielten ihre Sterne nur sehr wenig Eisen. Je später die Sterne entstanden sind, desto mehr Eisen enthalten sie. Der Unterschied im Eisengehalt führt dazu, dass rote Riesensterne, genau wie ihre Umlaufbahnen, um bis zu dreißig Prozent größer werden. Die Umlaufperioden der Doppelsterne lassen sich daher durch ein kombiniertes Modell der Sternwechselwirkungen und der zeitlichen Entwicklung der Eisenmenge in der Milchstraße erklären.
„Wir haben zum ersten Mal gezeigt, dass es eine wahrnehmbare Verbindung zwischen der chemischen Geschichte unserer Galaxis und Beobachtungen sowie Modellierung von entwickelten Doppelsternen gibt“, so Vos.
Sowohl Universität Potsdam als auch die Lund University, an der mit Alexey Bobrick ein weiteres Mitglied des Trios tätig ist, sind an der 4MOST-Studie der ESO beteiligt, die Spektren, Zusammensetzungen und Alter von zwanzig Millionen Sternen liefern wird. Die Lund University wirkt ferner an der Gaia-Mission der ESA mit, die die Positionen von mehr als zwei Milliarden Sternen in der Galaxie kartiert hat.
„Wir erwarten, dass diese neuen detaillierten Modelle der Entwicklung unserer Milchstraße genutzt werden, um Vorhersagen zu den darin enthaltenen Doppelsternsystemen zu machen“, erklärt Vos. „Diese wiederum sollten mit den Beobachtungen von Doppelsternen in Verbindung gebracht werden. Schließlich wollen wir der Gemeinschaft zeigen, dass viele neue Informationen durch eine interdisziplinärere Kommunikation zwischen den verschiedenen Bereichen der Astronomie gewonnen werden können.“
U. Potsdam / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
J. Vos, A. Bobrick & M. Vučković: Observed binary populations reflect the Galactic history, Astron. Astroph. 641, A163 (2020); DOI: 10.1051/0004-6361/201937195 - Stellare Astrophysik, Institut für Physik und Astronomie, Universität Potsdam