21.02.2025

Natürlicher Wasserstoff in Gebirgsregionen

Ursprünglich tief gelegenes Mantelgestein nahe der Oberfläche als potenzielle Wasserstoff-Lagerstätte.

Die erfolgreiche Erschließung nachhaltiger Ressourcen für die Energiewende ist eine zentrale Herausforderung für die Menschheit im 21. Jahrhundert. Wasserstoff hat ein großes Potenzial, die derzeitigen fossilen Brennstoffe zu ersetzen und gleichzeitig die damit verbundenen Emissionen von CO2 und anderen Schadstoffen zu vermeiden. Ein wesentliches Hindernis besteht jedoch darin, dass H2 zunächst hergestellt werden muss. Die derzeitige synthetische H2-Produktion greift bestenfalls auf erneuerbare Energien zurück, die Produktion kann jedoch auch umweltschädlich sein, wenn fossile Energie verwendet wird. Die Lösung könnte in der Natur zu finden sein, da Wasserstoff in verschiedenen geologischen Prozessen auf natürliche Weise entsteht. Bislang war jedoch unklar, wo man nach potenziell großflächigen natürlichen H2-Ansammlungen suchen sollte.

Abb.: Gebirgskette in den Schweizer Alpen als potenzielle Lagerstätte für...
Abb.: Gebirgskette in den Schweizer Alpen als potenzielle Lagerstätte für natürlichen, weißen Wasserstoff.
Quelle: F. Zwaan, GFZ

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Ein Forschungsteam unter der Leitung von Frank Zwaan vom GFZ Helmholtz-Zentrum für Geowissenschaften präsentiert nun eine Antwort auf diese Frage: Mithilfe plattentektonischer Modellierung fanden sie heraus, dass Gebirgszüge, in denen sich ursprünglich tiefes Mantelgestein nahe der Oberfläche befindet, potenzielle natürliche Wasserstoff-Hotspots darstellen. Solche Gebirgszüge sind möglicherweise nicht nur ideale geologische Umgebungen für eine großflächige natürliche Wasserstoff-Entstehung, sondern auch für die Bildung großflächiger H2-Ansammlungen, die für die Wasserstoff-Produktion erbohrt werden können. 

Natürlicher, auch „weiß“ genannter Wasserstoff kann auf verschiedene Weise entstehen, zum Beispiel durch die bakterielle Umwandlung von organischem Material oder die Umwandlung von Wasser infolge des Zerfalls radioaktiver Elemente in der kontinentalen Erdkruste. Infolgedessen wird das Vorkommen von natürlichem H2 an vielen Orten weltweit gemeldet. Die generelle Nutzbarkeit von natürlichem Wasserstoff als Energiequelle wurde bereits in Mali nachgewiesen, wo begrenzte Mengen von H2 aus eisenhaltigen Sedimentschichten durch Bohrungen in den Untergrund gewonnen werden.

Der vielversprechendste Mechanismus für die natürliche Wasserstofferzeugung in großem Maßstab ist jedoch ein geologischer Prozess, bei dem Mantelgestein mit Wasser reagiert. Die Minerale im Mantelgestein ändern ihre Zusammensetzung und bilden neue Minerale der Serpentingruppe sowie H2-Gas. Dieser Prozess wird als Serpentinisierung bezeichnet. Mantelgesteine befinden sich normalerweise in großer Tiefe, unterhalb der Erdkruste. Damit diese Gesteine mit Wasser in Berührung kommen und serpentinisieren können, müssen sie an die Erdoberfläche gebracht werden. 

Es gibt zwei wichtige plattentektonische Umgebungen, in denen Mantelgestein im Laufe von Millionen von Jahren exhumiert und serpentinisiert wird: Einerseits Ozeanbecken, die sich öffnen, wenn Kontinente beim Dehnen während des Riftings zerbrechen, so dass der Mantel aufsteigen kann, während die darüber liegende kontinentale Kruste ausgedünnt wird und schließlich auseinander bricht und andererseits die anschließende Schließung von Becken und die Bildung von Gebirgen, wenn Kontinente wieder zusammenrücken und kollidieren, so dass Mantelgestein an die Oberfläche gedrückt wird. Um ihr natürliches Wasserstoff-Potenzial richtig einschätzen zu können, ist ein gründliches Verständnis der Entwicklung solcher tektonischer Umgebungen unerlässlich. 

Mit einem hochmodernen numerischen plattentektonischen Modellierungsansatz, der mit Daten aus natürlichen Beispielen kalibriert wurde, simulierte das Forschungsteam die gesamte plattentektonische Entwicklung vom anfänglichen Rifting bis zum Aufbrechen der Kontinente, gefolgt von der Schließung der Becken und der Gebirgsbildung. In diesen Simulationen bestimmten die Forscher zum ersten Mal, wo, wann und in welchem Umfang Mantelgestein während der Gebirgsbildung exhumiert wird und wann diese Gesteine bei günstigen Temperaturen mit Wasser in Kontakt kommen können, um eine effiziente Serpentinisierung und natürliche Wasserstofferzeugung zu ermöglichen.

Abb.: Illustration eines Gebirges mit hohem Potential für die natürliche...
Abb.: Illustration eines Gebirges mit hohem Potential für die natürliche Entstehung von Wasserstoff.
Quelle: Zwaan, GFZ

Es zeigt sich, dass die Bedingungen für die Serpentinisierung und damit die natürliche H2-Generierung in Gebirgszügen wesentlich besser sind als in Riftbecken. Aufgrund der vergleichsweise kälteren Umgebung in Gebirgen finden sich dort größere Mengen an exhumiertem Mantelgestein unter günstigen Serpentinisierungstemperaturen von 200 bis 350 Grad Celsius, und gleichzeitig kann eine reichliche Wasserzirkulation entlang großer Verwerfungen innerhalb von Gebirgsketten die Ausschöpfung des Serpentinisierungspotenzials ermöglichen. Infolgedessen kann die jährliche Wasserstofferzeugungskapazität in Gebirgen bis zu zwanzigmal größer sein als in Rifts. Außerdem bieten Gebirge geeignete Speichergesteine, die für die Akkumulation wirtschaftlich nutzbarer, natürlicher H2-Volumina erforderlich sind, während diese bei der Serpentinisierung und Wasserstofferzeugung in den tieferen Teilen von Riftbecken wahrscheinlich noch nicht vorhanden sind.

Diese Ergebnisse geben einen starken Impuls, in Gebirgsregionen verstärkt nach natürlichem H2 zu suchen. In der Tat laufen bereits verschiedene Explorationsbemühungen an Orten wie den Pyrenäen, den europäischen Alpen und dem Balkan, wo die Forschende bereits früher Hinweise auf eine stetige natürliche Wasserstofferzeugung gefunden haben. „Entscheidend für den Erfolg dieser Bemühungen wird die Entwicklung neuartiger Konzepte und Erkundungsstrategien sein. Von besonderer Bedeutung ist, wie die Bildung wirtschaftlicher natürlicher H2-Ansammlungen durch die tektonische Geschichte eines bestimmten Explorationsgebiets gesteuert wird. Insbesondere müssen wir den zeitlichen Ablauf der wichtigsten beteiligten geologischen Prozesse bestimmen, denn wenn bei Gebirgsbildung H2-Reservoirs entstehen sollen, muss es zuvor ein Rift-Ereignis, ein Dehnen der Erdkruste gegeben haben. Erkenntnisse aus plattentektonischen Simulationen, wie sie in dieser Studie durchgeführt wurden, werden also von großem Wert sein“, sagt Frank Zwaan.

GFZ-Forscher Sascha Brune ergänzt: „Diese neue Forschungsarbeit erweitert unser Verständnis von geeigneten Umgebungen für die natürliche Wasserstofferzeugung. Angesichts der wirtschaftlichen Möglichkeiten, die mit natürlichem H2 verbunden sind, ist es jetzt wichtig, die Migrationswege von Wasserstoff und tiefe, Wasserstoff verbrauchende mikrobielle Ökosysteme zu untersuchen, um besser zu verstehen, wo sich tatsächlich potenzielle H2-Reservoirs bilden können.“ Zwaan fügt hinzu: „Insgesamt befinden wir uns möglicherweise an einem Wendepunkt für die Suche von natürlichem H2. Wir könnten die Geburt einer Industrie des natürlichen Wasserstoffs miterleben.“

GFZ / JOL

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