Bund und Länder: Zehn Prozent für Bildung und Forschung bis 2015
Bund und Länder haben für die nächsten Jahren ein milliardenteures Maßnahmenpaket für Bildung und Forschung geschnürt, streiten aber noch über dessen Finanzierung.
Dresden (dpa) - Bund und Länder haben für die nächsten Jahren ein milliardenteures Maßnahmenpaket für Bildung und Forschung geschnürt, streiten aber noch über dessen Finanzierung. Einig zeigten sich beide Seiten am Mittwoch nach dem Bildungsgipfel in Dresden, die Mittel für Bildung und Forschung bis 2015 auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufzustocken. Wer welchen Anteil übernimmt, ist aber noch offen. Eine solche Aufstockung bedeutet jährlich Mehrausgaben zwischen 25 und 60 Milliarden Euro. Die Länder, die grundsätzlich für Bildung zuständig sind, erwarten vom Bund eine stärkere finanzielle Beteiligung.
Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel erläuterte, sollen drei Prozent in die Forschung fließen und sieben Prozent in die Bildung. Zudem solle der Hochschulpakt über 2012 hinaus bis 2020 verlängert werden. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit wies darauf hin, dass es zwischen SPD- und Unions-Seite einen Dissens bei den Studiengebühren gebe. Die SPD lehne diese ab, da sie sozial schwächeren Schichten den Zugang zum Studium erschwerten.
Nicht einigen konnten sich beide Seiten auf ein kostenloses Mittagessen für Kinder von Arbeitslosen. Wowereit kritisierte, dass der Bund nicht bereit gewesen sei, die Mittel dafür zu übernehmen. Er zeigte sich generell unzufrieden mit den finanziellen Zusagen des Bundes zum Gesamtpaket. Die Kanzlerin wies darauf hin, dass schon die Beteiligung an den zehn Prozent für den Bund eine erhebliche Belastung bedeute.
Merkel machte deutlich, gemeinsames Ziel von Bund und Ländern sei es, Bildung und damit Wohlstand für alle zu erreichen. Denn Bildung sei der Schlüssel für Wohlstand im 21. Jahrhundert. Langzeitarbeitslosigkeit gebe es vor allem dort, wo Schulabschlüsse fehlten. Es gebe noch viel in Forschung und Bildung zu tun. Der Gipfel sei aber schon ein wichtiger Schritt gewesen, sagte Merkel.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers bezeichnete die Gespräche in Dresden ebenfalls als «großen Fortschritt». Partei- und länderübergreifend sei es gelungen, sich auf konkrete Ziele zu verständigen. «Dazu zählt vor allem der Ausbau des Bildungsauftrages für die Kindergärten», sagte Rüttgers. Besonders hob Rüttgers die Verabredungen zur Schaffung eines Ganztagsschulsystems und eines nationalen Stipendienprogramms hervor.
«Von gleicher Bedeutung ist auch die Fortsetzung des Hochschulprogramms», sagte der Ministerpräsident. Optimistisch zeigte sich Rüttgers, dass man sich bei der Finanzierung zwischen Bund und Ländern näher kommen könne, obwohl dies in Dresden nicht abschließend geklärt worden sei. «Das werden wir jetzt in einer gemeinsamen Kommission weiter diskutieren», sagte er. Es bleibe aber dabei, dass die Länder einen stärkeren Beitrag des Bundes bei den Kosten erwarten.
Bundesarbeitsminister Olaf Scholz verlangte die Abschaffung von Studiengebühren. Er kenne viele Bürger, die sagten, Studiengebühren seien eine schwierige Sache und hielten ihre Kinder von einem Studium ab. «Ich glaube, eine durchlässige Gesellschaft sollte keine Studiengebühren erheben.»
Hintergrund
Die wichtigsten Themen des Bildungsgipfels in Dresden
FINANZIERUNG:
Bund und Länder wollen in den nächsten Jahren deutlich mehr Geld für Bildung und Forschung ausgeben. Die Länder wollen Haushaltsmittel, die durch den Schülerrückgang frei werden, «insbesondere» - oder «vorwiegend» (noch strittig) - zur Qualitätsverbesserungen ausgeben. Bund und Länder setzen eine Arbeitsgruppe ein, die bis Ende 2009 Vorschläge macht, wie die Ausgaben für Bildung auf 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und für Forschung auf 3 Prozent des BIP erhöht werden können. Das würde für beide Bereiche Zuwächse in zweistelliger Milliardenhöhe bedeuten. Die Länder wollen einen höheren Anteil vom Mehrwertsteuer- Aufkommen des Bundes. Die beiden letzten Punkte sind die strittigsten.
GERECHTER ZUGANG ZUR BILDUNG:
Die in Deutschland besonders ausgesprägte Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft wird durch ein ganzes Maßnahmenbündel angegangen. Dazu gehören frühe Sprachförderung für Migranten und benachteiligte Kinder, mehr frühkindliche Bildung, verbindliche Sprachtests vor der Einschulung, Halbierung der Abbrecherzahl in Schulen von 8 auf 4 Prozent und in der Lehre von 17 auf 8,5 Prozent binnen fünf Jahren - unter anderem durch einen Sozialarbeiter pro Schule (strittig) und verschiedene Lehrstellenprogramme sowie weitere Hilfen für Altbewerber.
GANZTAGSSCHULE:
Der Ausbau der Ganztagsschulen soll «bedarfsgerecht» vorangehen. Der Bund zahlt an bedürftige Kinder bis Klasse zehn pro Schuljahr 100 Euro für Lernmittel. Der Bund übernimmt für diese Kinder auch die Kosten der Mittagsverpflegung. Dieser Punkt ist jedoch noch strittig.
ABITUR-STANDARDS:
Die Länder wollen für das Abitur «nach Möglichkeit spätestens ab 2010/2011» für die Fächer Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen gemeinsame Bildungsstandards vorlegen, ab 2013 auch für Naturwissenschaften. Schon vom Kindergarten an soll bei jungen Menschen technisches und naturwissenschaftliches Interesse geweckt werden.
MEHR FACHKRÄFTE:
Die «mittel- und langfristige Sicherung» des Fachkräftebedarfs hat für Bund und Länder «Priorität». Mehr junge Menschen sollen studieren. Durch Ausbau vor allem der Fachhochschulen und dualer Studienangebote (Kombination von Lehre und Studium) soll erreicht werden, dass 40 Prozent eines Jahrganges studieren. Bis 2020 halten Bund und Länder 275 000 zusätzliche Studienplätze für nötig. Der Hochschulpakt von Bund und Ländern soll dazu bis 2020 fortgeführt werden.
STUDIUM OHNE ABITUR:
Für das Studium von Meistern und anderen Fachkräften ohne klassisches Abitur schaffen die Länder abgestimmte Zugangsregeln an den Hochschulen. Der Bund vergibt dafür Aufstiegsstipendien.
WEITERBILDUNG:
Durch eine «Weiterbildungsallianz» von Bund und Sozialpartnern soll die Beteilung der Beschäftigen von derzeit 43 auf 50 Prozent steigen. Der Bund öffnet das «Meister-Bafög» auch für Erzieherberufe.
BERICHT:
2010 sollen die Bildungsminister von Bund und Ländern den Regierungschefs einen Bericht über die Umsetzung der Qualifizierungsinitiative vorlegen.
GWF