Chiraler Nachweis dunkler Materie
Dunkle Materie könnte oszillierende Energieunterschiede zwischen spiegelbildlichen Molekülen verursachen.
Falls dunkle Materie im Weltall existiert und falls sie zwischen links und rechts unterscheidet, ließe sie sich mit geeigneten chiralen Molekülen nachweisen. Zu diesem Ergebnis kommen Chemiker und Physiker um Robert Berger von der Philipps-Universität Marburg, indem sie auf ein mehr als zwanzig Jahre altes Experiment zurückgreifen. Denn Parität gilt nicht nur für Hände, sondern ebenso für die meisten Kräfte, die zum Beispiel in chiralen Molekülen wirken. „Wir schlagen nun vor, mit chiralen Molekülen ein wenig Licht in das Geheimnis der dunklen Materie zu bringen“, sagt Berger, der die Forschungsarbeit leitete.
Die sichtbare Materie im Weltall reicht nicht aus, um die Bewegung der Sterne zu erklären. Die moderne Kosmologie postuliert daher, der sichtbare Teil mache nur etwa ein Sechstel der gesamten Materie im Universum aus. Woraus aber der große Rest besteht – eben die dunkle Materie –, ist nach wie vor ein Rätsel. „Obwohl nur wenig über diese unentdeckten kosmischen Bestandteile bekannt ist, gibt es eine Fülle von Theorien darüber, was dunkle Materie tatsächlich sein könnte“, erläutert Doktorand Konstantin Gaul. „Die Bandbreite dieser Spekulationen reicht von uralten schwarzen Löchern bis zu ultraleichten und bisher unbekannten Elementarteilchen.“ Bei der Suche nach dunkler Materie stößt man auf Kandidaten, die das Paritätsprinzip verletzen. „Falls ultraleichte dunkle Materie in dieser Form existiert, wirkt sie sich auf chirale Moleküle aus und verursacht oszillierende Energieunterschiede zwischen spiegelbildlichen Molekülen“, führt Gaul weiter aus.
Nun gehen Berger und seine Mitarbeiter der Frage nach, wie sich dieser Effekt nachweisen lassen könnte. Die Wissenschaftler schauten sich hierfür ein Präzisionsexperiment genauer an, das kurz vor der Jahrtausendwende in Paris durchgeführt wurde, um winzige Paritätsverletzungen aufgrund der fundamentalen schwachen Wechselwirkung in chiralen Molekülen nachzuweisen, genauer: in der Verbindung Bromchlorfluormethan. Das Team hat nachgerechnet, wie empfindlich das Experiment gegenüber dunkler Materie ist und wie man diese Empfindlichkeit steigern kann. „Falls die dunkle Materie Oszillationen in chiralen Molekülen hervorruft, so könnten diese an geeigneten Molekülen mittels Infrarotspektroskopie nachgewiesen werden“, sagen die Forscher voraus. Dabei ließe sich die Präzision bestehender Experimente um mindestens zwei Größenordnungen verbessern. „Die Empfindlichkeit kann erheblich gesteigert werden, wenn man besser geeignete, schweratomige Moleküle wählt“, sagt Berger.
U. Marburg / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
K. Gaul et al.: Chiral Molecules as Sensitive Probes for Direct Detection of P-Odd Cosmic Fields, Phys. Rev. Lett. 125, 123004 (2020); DOI: 10.1103/PhysRevLett.125.123004 - Theoretische Chemie (R. Berger), Philipps-Universität Marburg