Computer simuliert komplette Reaktion mit vier Atomen
Simulation einer Wasserstoffreaktion zeigt gute Übereinstimmung mit Experiment.
Simulation einer Wasserstoffreaktion zeigt gute Übereinstimmung mit Experiment.
Mit steigender Rechenleistung von Supercomputern werden Simulationen von Reaktionen für Chemiker immer wichtiger. Mit der Berechnung aller differentiellen Wechselwirkungsquerschnitte für eine Reaktion mit vier Atomen gelang chinesischen Wissenschaftlern nun ein weiterer Schritt hin zur Chemie "in silico". Bisher konnten nicht alle möglichen Freiheitsgrade bei einer Vier-Atom-Reaktion in Simulationen komplett berücksichtigt werden.
Abb.: Die experimentellen (links) und theoretischen Plots der Translationsenergie des Produkts und der Winkelverteilung bei einer Kollisionsenergie von 6,9 kcal/mol ähneln sich stark. Die Kreise geben die Maximalenergie für die H2O-Vibrationszustände (m,n) wieder. (Bild: C. Xiao et al., Science)
"Wir haben eine Quanten-Wellenpaket-Methode entwickelt, um Wechselwirkungsquerschnitte in allen Dimensionen für Vier-Atom-Reaktionen zu berechnen", berichten Chunlei Xiao und seine Kollegen vom Institut für Chemische Physik in Dalian. Für die ersten Tests dieser Methode simulierten sie die Umwandlung von Wasserstoff und einer Hydroxyl-Gruppe zu Wasser und einem freien Wasserstoffatom. Für eines der beteiligten Wasserstoff-Atome wählten sie das doppelt schwere Isotop Deuterium.
Um die Wechselwirkungsquerschnitte zu erhalten, müssen die Schrödinger-Gleichungen für die Atombewegungen bei einer gegebenen potenziellen Energie gelöst werden. Da eine Vier-Atom-Reaktion mit sechs Freiheitsgraden serhr viel komplexer ist als ein Drei-Atom-Prozess mit drei Freiheitsgraden, benötigte ein Supercomputer etwa einen Monat, um alle quantenphysikalischen Vorgänge berücksichtigen zu können.
Ihre Berechnungen, in die alle angeregten Eigenzustände der an der Reaktion beteiligten Atome und Moleküle einflossen, verglichen sie anschließend mit einer Detailanalyse eines tatsächlich durchgeführten Experiments. Dazu dienten ihnen hochaufgelöste Spektren, die mit einem Flugzeitmassenspektrometer (TOF) aufgezeichnet wurden. Auch aus der Computersimulation ließen sich entsprechende TOF-Spektren berechnen, die eine große Übereinstimmung mit den gemessenen Daten zeigte.
Diese relativ einfach Wasserstoff-Reaktion selbst ist noch nicht von großem Interesse für die chemischen Industrie. Doch könnte diese Simulationsmethode auf komplexere chemische Prozesse stückweise ausgeweitet werden. Gelingt dies mit immer leistungsfähigeren Supercomputern, könnte die Vorab-Berechnung von Synthesereaktionen zu einem wichtigen Werkzeug avancieren. Mit weitaus geringerem Zeit- und Arbeitsaufwand wäre eine Ausbeute-Steigerung von vielen Substanzen – vom Kunststoff bis zum medizinischen Wirkstoff – möglich.
Jan Oliver Löfken
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