18.05.2018

Countdown für Kilogramm, Kelvin und Co.

Weltmetrologietag thematisiert fundamentalen Wandel im inter­nationalen System der Ein­heiten.

Noch ist der Wert des kleinen Platinzylinders in einem Safe im Pariser Vorort Sèvres uner­mess­lich – sagt dieses Objekt doch der Welt seit mehr als hundert Jahren, was ein Kilo­gramm ist. Doch schon sehr bald wird sich sein Wert auf den reinen Kurs­wert von Platin redu­zieren. Denn die Welt des präzisen Messens steht vor einem funda­men­talen Wandel. Die physi­ka­lischen Ein­heiten wie das Kilo­gramm für die Masse oder das Kelvin für die Tempe­ratur werden auf die stabil­ste nur denk­bare Basis gestellt, indem sie sich in Zukunft auf Natur­konstanten beziehen werden. Der dies­jährige Welt­metro­logie­tag am 20. Mai soll diesen Wandel ins öffent­liche Bewusst­sein rücken. Genau ein Jahr später, am Welt­metro­logie­tag 2019, soll dann das neue Ein­heitens­ystem in Kraft treten. Die Physi­ka­lisch-Tech­nische Bundes­anstalt, als natio­nales Metro­logie­institut Deutsch­lands die oberste Instanz bei allen Fragen rund ums Messen, ist mit Forschung und Kommu­ni­ka­tion an diesem funda­men­talen Wandel ent­scheidend beteiligt.

Abb.: Poster zu Welt­metro­logie­tag 2018. (Bild: PTB)

Die Welt ist sich in vielen Dingen nicht einig. Aber in einer Ange­legen­heit durch­aus: Alle wollen mit den­selben Maßen messen. Ein Wunsch, der in einer globa­li­sierten Welt auch wirt­schaft­lich mehr als ver­nünf­tig ist. Und so sind es an die hundert Staaten, die mitt­ler­weile die Meter­kon­ven­tion unter­zeich­net haben oder als asso­zi­ierte Mit­glie­der dabei sind. Dieser Ver­rag hat eine sehr lange Tra­di­tion: Am 20. Mai 1875 unter­zeich­neten ihn die ersten 17 Staaten, darunter Deutsch­land und das da­ma­lige König­reich Bayern.

Jeder Staat der Meterkonvention wurde sodann mit den Maßen der Gemein­schaft ver­orgt, also zu­nächst dem Ur-Meter und dem Ur-Kilo­gramm be­zie­hungs­weise hoch­ge­nauen Kopien dieser „heiligen“ Objekte. Was zu­nächst wie ein Königs­weg für die Harmo­ni­sie­rung des welt­weiten Messens er­schien, ent­puppte sich aller­dings im Laufe der Zeit als holp­riger Pfad. Denn alle Dinge dieser Welt ver­ändern sich, so auch die Maß­ver­körpe­rungen wie der Kilo­gramm­zylinder. Was aller­dings nur deut­lich wird, wenn man sehr genau hin­schaut.

Wenn jemand das genaue Hinschauen und das genaue Messen beherrscht, dann sind es die Metro­logen. Und so ent­schlossen sich die Staaten der Meter­konven­tion schon vor vielen Jahren, die Ein­heiten auf ein festeres Funda­ment zu stellen. Denn nicht nur das Kilo­gramm war und ist von dieser Insta­bi­lität betroffen, sondern auch die Ein­heiten für die Tempe­ratur und für die Strom­stärke. Das Kelvin hängt bisher von einer ganz genauen Isotopen­zusam­men­setzung des ver­wen­deten Wassers ab, und das Ampere bezieht sich auf eine sehr ideali­sierte Defini­tion zweier unend­lich langer Leiter. All diese Ein­heiten brauchen eine neue, verläss­lichere Basis. Und tat­säch­lich können die gegen­wärtigen Unzu­läng­lich­keiten von Kilo­gramm, Kelvin und Co. behoben werden. In den letzten Jahren, teil­weise auch Jahr­zehnten, haben die metro­lo­gischen Labora­torien der Welt dafür ganze Arbeit geleistet. Die Mess­künstler haben der Natur ganz tief in die Karten geschaut und die Werte bestimm­ter Natur­kon­stanten nach allen Regeln der Kunst gemessen. Mit­hilfe dieser Natur­kon­stanten, etwa dem Planck­schen Wirkungs­quantum und der Boltz­mann-Konstante, sollen die Ein­heiten nun stabil und damit zukunfts­sicher defi­niert werden.

Die Messungen in den Laboratorien sind abge­schlossen, sieben Natur­kon­stanten haben ihre festen Werte bekommen. Damit können sich die Ein­heiten wie das Kilo­gramm, das Kelvin oder das Ampere auf eine stabile und uni­ver­selle Zukunft freuen. Denn wenn sich Natur­kon­stanten nicht ändern – oder das zumin­dest nicht all­tags­rele­vant tun –, dann sind auch die Ein­heiten, die sich auf sie beziehen, unver­änder­lich. Und über­dies sind die Ein­heiten in einem sehr all­ge­meinen Sinn „über­all ver­ständ­lich“, denn die Natur­kon­stanten gelten nicht nur auf der Erde, sondern über­all und immer – im ganzen Uni­ver­sum und für alle Zeiten. Der Fahr­plan hin zu einem funda­mental umge­bauten Ein­heiten­system sieht so aus: Im November treffen sich Ver­treter der Staaten der Meter­konven­tion zu einer General­konfe­renz in Ver­sailles und beschließen aller Voraus­sicht nach den Umbau des Ein­heiten­systems. Am Welt­metro­logie­tag 2019 soll dann das neue Ein­heiten­system in Kraft treten. Meter und Kilo­gramm, diese Kinder der franzö­sischen Revo­lu­tion, werden dann den Anspruch von damals – „A tous les temps. A tous les peuples“ – auf ganz neue Weise ein­lösen.

PTB / RK

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