Das ungleichförmige Schwerefeld der Erde
Satellitenmission GRACE Follow-On vor dem Start.
Mit der deutsch-amerikanischen Satellitenmission GRACE-FO – Gravity Recovery And Climate Experiment Follow On – geht die Mission zur Vermessung des Erdschwerefelds und dessen zeitlicher Änderung in die Verlängerung. Von 2002 bis 2017 hatte die Vorgängermission GRACE das Erdschwerefeld extrem präzise kartiert. Die dabei gewonnenen Daten helfen beispielsweise dabei, den Verlust von Eismassen oder die Übernutzung von Grundwasservorkommen zu dokumentieren. Nun wird diese wertvolle Messreihe fortgesetzt mit der Mission GRACE-FO, einem gemeinsamen Vorhaben der US-Raumfahrtbehörde NASA und des Deutschen Geoforschungszentrums GFZ, das die deutschen Beiträge leitet. Der Start der beiden von Airbus gebauten Satelliten ist nach mehreren Verzögerungen für die Nacht vom 22. Auf den 23. Mai an Bord einer Falcon-9-
Bild: Künstlerische Darstellung des Satellitentandems GRACE-FO. (Bild: NASA / Caltech)
Grundlage der Forschungen ist der Umstand, dass die Massenverteilung im Erdkörper und auf der Oberfläche unseres Planeten nicht überall gleich ist. Im Erdinneren bewegen sich glutflüssige Gesteinsmassen, Wassermassen fließen in den Ozeanen und auf den Kontinenten, und auch die Luftmassen sind in stetiger Bewegung. Da die Anziehungskraft eines Körpers von seiner Masse abhängt, hat die ungleiche Massenverteilung unseres Planeten ein ungleichförmiges Feld der Gravitation zur Folge.
Die in einem Abstand von etwa 220 Kilometern hintereinander fliegenden Satelliten der Mission GRACE-FO werden daher, zeitlich etwas versetzt, mal stärker und mal schwächer angezogen – je nachdem, wie viel Masse sich unter ihnen befindet. Das führt zu einer kleinen Änderung des Satellitenabstandes, der dank eines präzisen Mikrowellenverfahrens bis auf einige Tausendstel Millimeter genau bestimmt wird. Als Ergebnis können damit auch geringe Massenunterschiede im System Erde erfasst werden. Da die beiden Satelliten kontinuierlich die Erde umkreisen, können sowohl örtliche als auch zeitliche Änderungen des Schwerefelds dokumentiert werden.
„Primäres Missionsziel ist die Erstellung globaler monatlicher Schwerefeldkarten. Mit Hilfe dieser Daten können verschiedene Veränderungen im System Erde rekonstruiert werden“, erläutert Frank Flechtner, leitender Wissenschaftler der Mission vom GFZ. So habe die Vorgängermission GRACE gezeigt, dass der Eismassenverlust in Grönland zwischen 2002 und 2016 rund 270 Milliarden Tonnen pro Jahr betrug, gut 20 Milliarden Tonnen mehr als zuvor angenommen. „GRACE-FO wird die Entwicklung in Grönland, aber auch in der Antarktis und anderen Eisregionen, weiterhin verfolgen und aktuelle Daten liefern.“
Überdies kann die Mission Veränderungen der Grundwasserstände in großen Becken erfassen – ohne, dass Messungen vor Ort erforderlich sind. Dazu gehören sowohl Verluste, wie sie jüngst in Kalifornien oder im Nahen Osten beobachtet wurden, als auch zunehmende Wassermassen im Untergrund. Dieser Fall ist für die Wissenschaftler ebenso spannend, denn ein gut gefüllter Grundwasserleiter hat zur Folge, dass nach ergiebigen Regenfällen weniger Wasser versickert und damit die Überflutungsgefahr steigt. GRACE-FO soll helfen, diese Bedrohung frühzeitig zu erkennen.
Die Messdaten sind auch für den marinen Bereich wichtig. Dort dienen sie etwa dazu, den Meeresspiegelanstieg zu erforschen. Anhand von Schwerefelddaten lässt sich ermitteln, wie groß der Anteil von zusätzlichem Wasser – beispielsweise von schmelzenden Gletschern – an den steigenden Pegeln ist und welcher Anteil auf die wärmebedingte Ausdehnung des vorhandenen Meerwassers zurückzuführen ist. Weiterhin werden die Daten von GRACE-FO herangezogen, um Ozeanströmungen zu erforschen.
Ein weiteres Ziel ist die Messung von Zustandsparametern der Atmosphäre mit Hilfe der GPS-Radiookkultation. Die Methode basiert auf dem Umstand, dass die von GRACE-FO empfangenen Funksignale hinter der Erde verschwindender GPS-
Darüber hinaus tragen die Satelliten als Technologiedemonstrator ein neues laserbasiertes System zur Entfernungsmessung, das am MPI für Gravitationsphysik in Hannover zusammen mit dem Jet Propulsion Laboratory entwickelt wurde. Dieses kann die Distanz zwischen den zwei Raumfahrzeugen noch genauer bestimmen als bisher: bis auf achtzig Nanometer. Eine deutlich verbesserte Abstandsmessung zwischen den beiden Satelliten bedeutet, dass auch die erhobenen Schwerefelddaten nochmals genauer sind.
Nach einem erfolgreichen Start werden die Raumfahrzeuge zunächst im Orbit schrittweise in Betrieb genommen und für den dauerhaften Einsatz vorbereitet. Für den Sommer rechnen die beteiligten Forscher mit den ersten wissenschaftlichen Daten. Die Mission ist geplant für eine Dauer von zunächst fünf Jahren, eine Verlängerung ist möglich.
GFZ / RK