Dem Geheimnis der Achilles-Ferse auf der Spur
Interdisziplinäres Team erforscht Grenzbereich zwischen Sehne und Knochen.
Rund 8000 Risse der Achillessehne müssen in Deutschland jedes Jahr behandelt werden, obwohl sie die stärkste Sehne des menschlichen Körpers ist. Sie verbindet Fersenbein und Wadenmuskel und hält bis zum Zehnfachen des Körpergewichts aus. „Obwohl in der Orthopädie tagtäglich Patienten mit Sehnenverletzungen behandelt werden, wissen wir noch immer sehr wenig über den genauen feingeweblichen Aufbau am direkten Übergang von der Sehne zum Knochen“, erklärt Rainer Burgkart von der TU München. „Die biochemischen Vorgänge, die Mikromechanik und die Mikrostruktur des Gewebes sind bisher kaum erforscht.“
Abb.: Leone Rossetti und Lara Kuntz am Fluoreszenz-
Zusammen mit einem interdisziplinären Team aus den bereichen Biochemie und Biophysik der TU München hat der Mediziner jetzt das Geheimnis der Achillessehne entschlüsselt: Zwischen Sehnen und Knochen entdeckten die Forscher eine Gewebeschicht, die aus extrem dünnen Proteinfasern besteht und für eine extrem hohe Stabilität sorgt. Menschen sind daher in der Lage, über Hürden zu springen, hohe Sprünge und harte Landungen zu machen, ohne dass die Verbindung zwischen Sehne und Fersenbein Schaden nimmt. Tatsächlich reißt eher die Sehne, als dass sich die Verbindung zum Knochengewebe löst.
„Dass die Sehnen direkt am Knochen ansetzen, das war bislang die Annahme. Tatsächlich gibt es jedoch einen Übergangsbereich. Hier spleißt sich das Sehnengewebe auf in Dutzende von feinen Fasern mit einer ganz charakteristischen biochemischen Zusammensetzung“, erklärt Andreas Bausch, der Leiter der interdisziplinären Forschungsgruppe. „Die dünnen Fasern sind fest in der zerklüfteten Oberfläche des Knochens verankert und mechanisch äußerst belastbar.“ Entdeckt wurden die feinen Fasern durch einen neuen, interdisziplinären Forschungsansatz, so Bausch: „Die Innovation der Arbeit liegt darin, dass wir verschiedene medizinische, physikalische und ingenieurwissenschaftliche Verfahren kombiniert haben.“
Ein sorgfältig präpariertes Stück Schweineknochen mit Sehne wurde von den Forschern in eine Apparatur eingespannt und fixiert. Dann richteten sie das Mikroskop auf die Grenzschicht, entlang derer die Sehne mit dem Knochen verwachsen ist. Mit Hilfe der Multiskalen-
Im nächsten Schritt verwendete das Team fluoreszierende Antikörper, um bestimmte Proteine zum Leuchten zu bringen. Hier zeigte sich, dass die dünnen Fasern eine andere biochemische Zusammensetzung haben als die eigentliche Sehne. Im dritten Teil des Experiments bewegten sie die Sehne unter Belastung hin und her und filmten dabei die Fasern. Das Ergebnis: Je nach Belastungsrichtungen sind unterschiedliche Fasern aktiv und stabilisieren den Kontakt. Ergänzt wurden die lichtmikroskopischen Untersuchungen durch besonders hochauflösende Bilder eines Elektronenmikroskops. Zudem setzten die Forscher einen Mikro-
„Unsere Ergebnisse erlauben es erstmals, die biochemischen und biomechanischen Prozesse in der Kontaktzone zwischen Knochen und Sehne zu verstehen, die unserem Bewegungsapparat seine enorme Stabilität verleihen“, resümiert Bausch. Mögliche Anwendungen ergeben sich sowohl in der Materialforschung als auch in der Medizin. Ingenieurtechnisch könnten innovative Verbindungen zwischen festen und weichen Stoffen hergestellt werden. Und in der Orthopädie sollen die Erkenntnisse genutzt werden, um künftig in der Tumorchirurgie Sehnen an Implantate zu refixieren.
TUM / RK