28.02.2017

Dem Geheimnis der Achilles-Ferse auf der Spur

Interdisziplinäres Team erforscht Grenz­bereich zwischen Sehne und Knochen.

Rund 8000 Risse der Achillessehne müssen in Deutschland jedes Jahr behandelt werden, obwohl sie die stärkste Sehne des mensch­lichen Körpers ist. Sie verbindet Fersen­bein und Waden­muskel und hält bis zum Zehn­fachen des Körper­gewichts aus. „Obwohl in der Ortho­pädie tag­täg­lich Patienten mit Sehnen­ver­letzungen behan­delt werden, wissen wir noch immer sehr wenig über den genauen fein­geweb­lichen Aufbau am direkten Über­gang von der Sehne zum Knochen“, erklärt Rainer Burg­kart von der TU München. „Die bio­che­mischen Vor­gänge, die Mikro­mechanik und die Mikro­struktur des Gewebes sind bisher kaum erforscht.“

Abb.: Leone Rossetti und Lara Kuntz am Fluores­zenz-Mikro­skop. (Bild: A. Hedder­gott, TU München)

Zusammen mit einem interdisziplinären Team aus den bereichen Bio­chemie und Bio­physik der TU München hat der Medi­ziner jetzt das Geheim­nis der Achilles­sehne ent­schlüs­selt: Zwischen Sehnen und Knochen ent­deckten die Forscher eine Gewebe­schicht, die aus extrem dünnen Protein­fasern besteht und für eine extrem hohe Stabi­lität sorgt. Menschen sind daher in der Lage, über Hürden zu springen, hohe Sprünge und harte Lan­dungen zu machen, ohne dass die Verbin­dung zwischen Sehne und Fersen­bein Schaden nimmt. Tat­säch­lich reißt eher die Sehne, als dass sich die Verbin­dung zum Knochen­gewebe löst.

„Dass die Sehnen direkt am Knochen ansetzen, das war bislang die Annahme. Tat­säch­lich gibt es jedoch einen Über­gangs­bereich. Hier spleißt sich das Sehnen­gewebe auf in Dutzende von feinen Fasern mit einer ganz charak­teris­tischen bio­che­mischen Zusammen­setzung“, erklärt Andreas Bausch, der Leiter der inter­diszi­pli­nären Forschungs­gruppe. „Die dünnen Fasern sind fest in der zer­klüf­teten Ober­fläche des Knochens veran­kert und mecha­nisch äußerst belast­bar.“ Ent­deckt wurden die feinen Fasern durch einen neuen, inter­diszi­pli­nären Forschungs­ansatz, so Bausch: „Die Inno­va­tion der Arbeit liegt darin, dass wir ver­schie­dene medi­zi­nische, physi­ka­lische und inge­nieur­wissen­schaft­liche Ver­fahren kombi­niert haben.“

Ein sorgfältig präpariertes Stück Schweineknochen mit Sehne wurde von den Forschern in eine Appa­ratur einge­spannt und fixiert. Dann rich­teten sie das Mikro­skop auf die Grenz­schicht, ent­lang derer die Sehne mit dem Knochen ver­wach­sen ist. Mit Hilfe der Multi­skalen-Mikro­skopie-Technik wurden Dutzende von Auf­nahmen erstellt und digital zu einem großen Bild zusam­men­ge­führt. „Auf diese Weise konnten wir die Struk­tur der feinen, auf­ge­spleiß­ten Fasern sicht­bar machen“, berich­tet Bausch.

Im nächsten Schritt verwendete das Team fluoreszierende Anti­körper, um bestimmte Proteine zum Leuchten zu bringen. Hier zeigte sich, dass die dünnen Fasern eine andere bio­che­mische Zusam­men­setzung haben als die eigent­liche Sehne. Im dritten Teil des Experi­ments beweg­ten sie die Sehne unter Belas­tung hin und her und filmten dabei die Fasern. Das Ergeb­nis: Je nach Belas­tungs­rich­tungen sind unter­schied­liche Fasern aktiv und stabi­li­sieren den Kontakt. Ergänzt wurden die licht­mikro­sko­pischen Unter­suchungen durch beson­ders hoch­auf­lösende Bilder eines Elek­tronen­mikro­skops. Zudem setzten die Forscher einen Mikro-Computer­tomo­graphen ein, mit dem sich die Grenz­region drei­dimen­sional dar­stellen ließ.

„Unsere Ergebnisse erlauben es erstmals, die biochemischen und bio­mecha­nischen Prozesse in der Kontakt­zone zwischen Knochen und Sehne zu ver­stehen, die unserem Bewe­gungs­apparat seine enorme Stabi­lität ver­leihen“, resümiert Bausch. Mög­liche Anwen­dungen ergeben sich sowohl in der Mate­rial­forschung als auch in der Medizin. Inge­nieur­tech­nisch könnten inno­va­tive Verbin­dungen zwischen festen und weichen Stoffen herge­stellt werden. Und in der Ortho­pädie sollen die Erkennt­nisse genutzt werden, um künftig in der Tumor­chirurgie Sehnen an Implan­tate zu refixieren.

TUM / RK

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