Dem Wunder des Sauerstoffs auf der Spur
Neuartiges Mikroskop verfolgt ersten Schritt der Reaktion eines einzelnen Moleküls mit Sauerstoff in beispielloser Auflösung.
Warum bleicht Kleidung in der Sonne aus? Warum bekommt man Sonnenbrand? Warum kündigt sich der Herbst mit braunen Blättern an? Diese Fragen haben eines gemeinsam: das Wechselspiel zwischen Farbstoffpigmenten und dem Sauerstoff der Luft. Die chemische Reaktion der Oxidation lernt jeder bereits in der Schule kennen – was also gibt es da noch zu erforschen? Zum Beispiel die Grundlagen für ein mikroskopisches Verständnis der Oxidationsreaktion, denen Forscher der Uni Regensburg jetzt auf den Grund gehen wollen.
Sauerstoff ist ein erstaunliches Molekül: Es ist magnetisch. Farbstoffmoleküle hingegen sind nicht magnetisch. Fällt Licht auf ein solches Molekül, so wird es bei einer bestimmten Farbe absorbiert, wodurch der Farbstoff seine charakteristische Erscheinung bekommt. Die Energie des Lichts wird dabei auf ein Elektron des Farbstoffmoleküls übertragen. Das Licht versetzt das Molekül dadurch in einen magnetischen Triplett-Zustand.
Das internationale Forschungsteam um Jascha Repp hat jetzt erstmals untersucht, wie die Triplett-Energie von einem einzelnen Farbstoffmolekül auf ein einziges Sauerstoffmolekül übertragen wird. Dieser Prozess ist von zentraler Bedeutung, da viele Oxidationsreaktionen über den angeregten Triplett-Zustand ablaufen. Solange das Molekül sich nämlich in diesem Zustand befindet, steckt die Energie des absorbierten Lichts im Molekül. Chemische Reaktionen werden dadurch begünstigt.
Eine spontane Abregung des Moleküls ist unwahrscheinlich und dauert daher lange. Alternativ kann die Energie an ein weiteres magnetisches Molekül, den Sauerstoff, übertragen werden. Durch diese Übertragung wird das Farbstoffmolekül abgeregt, aber der Sauerstoff wird reaktiv und kann beispielsweise den Farbstoff ausbleichen.
Dem Team gelang es, den Energieübertrag von Farbstoff zu Sauerstoff direkt zu verfolgen, ohne den Farbstoff zu zerstören. Dazu wurden einzelne Moleküle bei sehr tiefen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt auf eine Oberfläche gebracht und mit einem Rasterkraftmikroskop abgebildet. Durch eine geschickte Abfolge elektrischer Pulse wurde der Farbstoff im Triplett-Zustand präpariert. Die Energieübertragung zum Sauerstoff verfolgen die Forscher, indem sie die Kraft zwischen Spitze und Molekül zeitlich messen.
Dieser neue Forschungsansatz erlaubt es, solche Messungen für ganz unterschiedliche geometrische Anordnungen der beiden involvierten Moleküle zu wiederholen und so erstmals den direkten Zusammenhang zwischen der Zeitdauer des Energietransfers und der dazugehörigen atomaren Anordnung herzustellen. Die Wissenschaftler hoffen, so endlich die Grundlagen für ein mikroskopisches Verständnis der Oxidationsreaktion zu erreichen. Diese Reaktion spielt auch in zukunftsrelevanten Technologien eine zentrale Rolle, so in organischen Leuchtdioden und Solarzellen, in der photokatalytischen Energiekonversion und der Photosynthese sowie in der photodynamischen Krebstherapie.
U. Regensburg / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
J. Peng et al.: Atomically resolved single-molecule triplet quenching, Science 373, 452 (2021); DOI: 10.1126/science.abh1155 - Atomic-Scale Science on Insulators (J. Repp), Experimentelle und angewandte Physik, Universität Regensburg