08.01.2010

Den Goldenen Schnitt gibt es auch in der Quantenwelt

Verborgene Symmetrie im Strukturaufbau von fester Materie nachgewiesen.

Verborgene Symmetrie im Strukturaufbau von fester Materie nachgewiesen.

Britischer Forscher - der University of Oxford, der University of Bristol und dem Rutherford Appleton Laboratory - haben zusammen mit Kollegen des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie (HZB) verborgene Symmetrieeigenschaften erstmals in fester Materie entdeckt. Die Kennzeichen, die den aus Kunst und Architektur bekannten Goldenen Schnitt ausmachen, haben die Forscher im atomaren Aufbau eines Kristalls aus Kobalt-Niobat gefunden.

Kobalt-Niobat ist ein magnetisches Material mit besonderen Eigenschaften. Es wird vor allem verwendet, um Quanteneigenschaften zu untersuchen. Die atomaren Bestandteile, aus denen der Kristall besteht, haben magnetische Eigenschaften und sind auf besondere Weise angeordnet. Die Spins ordnen sich zu Ketten, die zusammen wie ein dünner Stabmagnet wirken. Jedoch ist die Kette nur eine Atomlage dick. Sie dient daher als besonders geeignetes Modell, um den Ferromagnetismus in Feststoffen zu untersuchen.

Lässt man ein magnetisches Feld im rechten Winkel zu der ausgerichteten Spin-Kette einwirken, geht die Kette in einen neuen Zustand über. Diesen Zustand stellen sich die Physiker als fraktales Muster vor und nennen ihn “quantenkritisch”. Alan Tennant, Leiter des Instituts Komplexe Magnetische Materialien am HZB, erläutert: “In unserem Experiment mit Kobalt-Niobat haben wir durch Anlegen des Magnetfeldes gewissermaßen am Regler gedreht und dabei das System immer näher an den quantenkritischen Zustand herangebracht.”

Abb.: Ein Magnetfeld wird angelegt, um die Spinkette so zu verändern, dass sie in einen quantenkritischen Zustand übergeht. Mithilfe der Neutronenstreuung werden die charakteristischen Frequenzen der Resonanzen aufgezeichnet. (Bild: Tennant/HZB)

Dabei konnten die Forscher sehen, wie sich die Kette aus Atomen verhält. “Wie eine Gitarrenseite auf Nanoebene”, sagt Radu Coldea, der das internationale Projekt an der Oxford University begonnen und bis heute, über zehn Jahre lang geführt hat. “Die Schwingung der Seite entspricht in diesem Bild der Wechselwirkung, die benachbarte Spinketten miteinander eingehen“, sagt Coldea. „Wie bei einer Gitarrenseite entstehen dabei auch Resonanzen.“ Von den beobachteten Resonanz-Frequenzen stehen die ersten beiden im Verhältnis 1,618…, zueinander, „was genau dem Goldenen Schnitt entspricht“, so Radu Coldea. Er ist überzeugt, dass dies kein Zufall ist. “Es spiegelt eine versteckte Symmetrie wider, die dem Quantensystem seine schönen, harmonischen Eigenschaften verleiht. Von Mathematikern wird sie als E8 bezeichnet. Diese mathematische Symmetrieeigenschaft haben wir nun zum ersten Mal in einem festen Material beobachtet.”

Die Forscher haben dies mit einer speziellen Untersuchungsmethode erreicht, der Neutronenstreuung. Dabei werden Neutronen auf eine Probe geschossen, wobei die Neutronen mit den magnetischen Momenten der Elektronen im Probenmaterial in Wechselwirkung treten. Das magnetische Muster und die Resonanzen lassen sich damit sehr exakt in örtlicher und zeitlicher Auflösung messen. Elisa Wheeler, die sowohl in Oxford als auch in Berlin an dem Projekt gearbeitet hat, hebt die Messmethode hervor: “Mit der Neutronenstreuung können wir sehen, wie unterschiedlich die Quantenwelt zu unserer gewohnten Welt tatsächlich ist.“ Die experimentellen Anforderungen seien jedoch sehr hoch, denn man muss in ein hoch komplexes Neutronenexperiment zugleich Techniken der Tieftemperaturphysik und der magnetischen Hochfeldtechnik integrieren. Das HZB in Berlin hat zusammen mit den Möglichkeiten, die das ISIS am Rutherford Appleton Laboratory bei Oxford mit seiner gepulsten Neutronenquelle bietet, diese Anforderungen erfüllt.

Laut Alan Tennant ist die Beobachtung des Resonanzzustandes im Kobalt-Niobat eine eindrucksvolle Demonstration von experimenteller Laborarbeit. Mathematische Theorien, die eigentlich für die Teilchenphysik entwickelt wurden, finden dabei auf nanoskaliger Ebene Anwendung in der Festkörperphysik. Alan Tennant: „Bemerkenswert ist, dass man in einem Quantensystem, dem die Heisenbergsche Unschärfe zugrunde liegt, keine Unordnung findet, sondern die perfekte Harmonie.“ Solche Erkenntnisse könnten zu völlig neuen Technologien führen, so Tennant. Außerdem „sind sie ein weiterer Beweis, dass in der Quantenwelt eigene Strukturen existieren. Das heißt, ähnliche Überraschungen können uns in anderen Materialien im quantenkritischen Zustand ebenfalls erwarten.”

Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie/KP

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