30.10.2015

Den Strom belauschen

Elektrische Ladungen lassen sich in dünnen Kristallen mit akustischen Oberflächenwellen nachweisen und transportieren.

Ein bayerisch-kalifornisches Team von Forschern der Universität Augsburg und der University of California in Riverside haben ein neuartiges hybrides Bauelement entwickelt, das es erlaubt, die Eigenschaften sogenannter zweidimensionaler Kristalle zu entschlüsseln. Bis hin zu drahtlos abfragbaren Chips reicht das Anwendungs­potential der entwickelten und experimentell erprobten Methode, elektrische Ladungen in solchen Materialien mit akustischen Ober­flächen­wellen zu detektieren und zu transportieren.

Abb.: Schematischer Aufbau des Experiments (Bild: E. Preciado et al.)

Unter zweidimensionalen Kristallen versteht man Materialien mit einer minimalen Zahl von Atomlagen. Wegen ihrer besonderen Eigenschaften werden 2D-Kristalle als Schlüssel­materialien für elektronische Bauelemente der Nach-Silizium-Ära weltweit untersucht. Forscher der Universität Augsburg und der UC Riverside gelang es nun, mit Hilfe akustischer Ober­flächen­wellen in ultradünnen 2D-Kristallen elektrische Ladungen nicht nur nachzuweisen, sondern auch gezielt wie auf einem Förderband zu transportieren.

Als zweidimensionale Kristalle verwendete das bayerisch-kalifornische Forscherteam speziell für diesen Zweck an der UC Riverside hergestelltes Molybdänit, ein neuartiges Material aus der Klasse der Übergangs­metall­di­chalkogenide, das sie dann mit der in Augsburg seit vielen Jahren beherrschten und in vielen Bereichen der Nano­wissenschaften eingesetzten Nanobeben-Methode studiert haben – und zwar mit einem wichtigen Ergebnis: „Wir sind nun in der Lage, elektrische Ladungen, die von einem winzigen Laserstrahl in einer nur drei Atomlagen dicken Molybdänit­schicht erzeugt werden, aus einer Entfernung von mehreren Millimetern direkt auf einem Chip zu detektieren – und das ohne jede elektrische Zuleitung“, berichtet Hubert Krenner.

Akustische Oberflächenwellen – Surface Acoustic Waves, kurz: SAWs – werden heute schon in Mobil­telefonen und anderen drahtlosen Kommunikations­systemen, aber auch in der Sensorik und in der Biomedizin eingesetzt. „Vor diesem Hintergrund“, so Krenner, „sehen wir in unserer neuen SAW-Methode, elektrische Ladung in Molybdänit-2D-Kristallen zu erkennen und zu transportieren, ein extrem hohes Anwendungs­potential der neuartigen Hybride bis hin zu drahtlosen, über Funk abfragbaren Chips.“

Das Projekt, das diese Perspektiven jetzt eröffnet, wurde über den Atlantik hinweg von Florian Schülein, Absolvent des Augsburger Lehrstuhls für Experimentalphysik I, und Edwin Preciado, Doktorand bei Professor Ludwig Bartels in Riverside, bearbeitet. „Bei unseren gemeinsamen Forschungen", so Bartels, „haben wir sehr von unseren komplementären Expertisen profitiert. Deren einzigartige Verknüpfung beim Studium von 2D-Kristallen eröffnet uns jetzt völlig neue Perspektiven sowohl für praktische Anwendungen als auch in der Grundlagenforschung.“

Die 2D-Kristalle wurden in Kalifornien hergestellt, in Augsburg wurden sie dann zu hybriden Bauelementen weiterverarbeitet und experimentell untersucht. Krenner ist mit seiner neuen Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Experimental­physik I der Universität Augsburg angesiedelt. Achim Wixforth, der Inhaber dieses auch in den Exzellenz­cluster „Nanosystems Initiative Munich" (NIM) eingebundenen Augsburger Lehrstuhls, gilt als Pionier auf dem Feld der akustischen Oberflächenwellen. „Die Zusammenarbeit mit der Augsburger SAW-Spitzen­forschung war entscheidend für unseren gemeinsamen Erfolg", betont Preciado.

Die Fortsetzung der erfolgreichen Augsburg-Riverside-Zusammenarbeit ist bereits auf dem Weg: Sebastian Hammer, wie Florian Schülein Student von Krenner und Wixforth, war bereits zum Gegenbesuch in Riverside, um neue Proben für Experimente herzustellen.

U. Augsburg / DE

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