29.12.2015

Den Superkräften von Superlegierungen auf der Spur

Werkstoff­wissen­schaftler bauen Tur­bi­nen­werk­stoff Atom für Atom im Com­pu­ter nach.

Superlegierungen – metallische Werkstoffe, die aus Nickel und Aluminium sowie verschie­denen weiteren Elementen wie Rhenium zusammen­gesetzt sind – sind für die Herstellung von Turbinen­schaufeln, etwa in einem Flugzeug­triebwerk, unver­zichtbar. Sie sorgen dafür, dass die Turbinen auch bei höchsten Temperaturen bis nahe an ihrem Schmelzpunkt stabil bleiben – bei den immensen Belastungen durch Fliehkräfte ein Muss. Werkstoff­wissen­schaftler arbeiten daher permanent daran, diese Super­legierungen weiter zu verbessern. Forschern der FAU um Erik Bitzek ist es nun erstmals gelungen, die atomare Struktur einer Nickelbasis-Super­legierung so exakt im Computer nachzu­bauen, dass Simulationen tatsächlich die Verformungs­prozesse in der realen Materialstruktur wiedergeben und erklären können. Bislang konnten Forscher immer nur mit idealisierten Strukturen im Computer arbeiten.

Video der Simulation (Animation: A. Prakash et al.)

Die Erlanger Wissenschaftler können jetzt detail­getreu simulieren, wie sich bestimmte, linien­hafte Kristall­defekte in der Nickelbasis-Super­legierung bewegen, wenn Kräfte auf die Turbinen­schaufel einwirken, und so für die Verformung des Materials sorgen.

Um dieses Ziel zu erreichen, haben Bitzek und sein Team zunächst Daten genutzt, die ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für Eisen­forschung mit Hilfe einer Atomsonden­messung ermittelt haben: Diese liefert 3D-Informationen über den atomaren Aufbau der Legierung, kann allerdings lediglich rund zwei Drittel der vorhandenen Atome lokalisieren. Jedoch konnten die Forscher aus den so gewonnenen Daten mit einer neu am Lehrstuhl entwick­elten Software namens nanoSCULPT atomare Modelle erzeugen, die nicht nur die exakte Beschaf­fenheit der so genannten Ausscheidungen – Teilchen mit anderer Kristallstruktur und Zusammensetzung, die in den Kristall eingebettet sind – wieder­geben, sondern auch, wie die Nickel- und Aluminiumatome innerhalb der Legierung verteilt sind.

So gelang es den Werkstoffwissenschaftlern, die im Experiment um die Ausscheidungen herum entstehenden Netzwerke von Versetzungen richtig abzubilden und die speziellen Versetzungs­strukturen, die zuvor ihre Forscher­kollegen um Erdmann Spiecker im hochauflösenden Transmissions­elektronen­mikroskop beobachtet hatten, wirklichkeitsgetreu zu reproduzieren. Im nächsten Schritt simulierten Bitzek und sein Team auf den Höchst­leistungs­rechnern der Uni Erlangen-Nürnberg Zugver­suche an diesen aus über 14 Millionen Atomen bestehenden Mikro­strukturen. Dabei zeigte sich erstmals detailliert auf atomarer Skala, wie die Ausschei­dungen und das sie umgebende Versetzungs­netzwerk die Bewegung von Versetzungen behindern und so die Festigkeit des Materials erhöhen.

Abb.: Atomsondendaten zeigen, wo sich welche Atome innerhalb der Nickelbasis-Super­legierung befinden. (Bild: J. J. Möller, S. Neumeier, A. Prakash, E. Bitzek / FAU)

Diese Erkenntnisse können nun verwendet werden, um Super­legierungen weiter­zu­entwickeln, damit sie noch höheren Temperaturen standhalten können und so den Treibstoff­verbrauch – und in der Folge den CO2-Ausstoß – von Trieb­werken senken. Insgesamt neun Arbeits­gruppen der Erlanger Werkstoff­wissen­schaftler arbeiten an diesem Ziel gemeinsam mit der Ruhr-Universität Bochum und weiteren Forschungs­einrichtungen innerhalb des Sonder­forschungs­bereichs Transregio 103 „Vom Atom zur Turbinenschaufel“, der, wie kürzlich bekannt gegeben wurde, von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft für weitere vier Jahre mit 15 Millionen Euro gefördert wird.

FAU / OD

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