Der Basis des Lebens blitzschnell auf die Schliche kommen
Femtosekunden-Röntgenpulse beleuchten bei Raumtemperatur Protein- und elektronische Struktur des Photosystems-II.
Ultraschnelle Röntgenabbildungen im Femtosekundenbereich gehören zu den neuesten Werkzeugen der Strukturbiologie. Sie erlauben es, Aufnahmen von Proteinkomplexen zu machen, die bei herkömmlichen, weniger intensiven Röntgenverfahren durch die Strahlung beschädigt oder zerstört werden. Forscher der Lawrence Berkeley National Laboratory ist es nun gelungen, gleich zwei dieser ultraschnellen Methoden zu kombinieren, um die Protein- und elektronische Struktur des Photosystems-II bei Raumtemperatur aufzulösen.
Abb.: Lichtmikroskopaufnahme der Photosystem-II-Mikrokristalle. Der schwarze Balken entspricht einer Länge von 20 Mikrometern, die durchschnittliche Kristallgröße einer Länge von 15. (Bild: J. Kern et al. / LBNL)
Das Photosystem-II ist ein Proteinkomplex mit der Summenformel Mn4CaO5, der sich sowohl bei grünen Pflanzen, als auch bei Algen und Cyanobakterien findet. Es katalysiert die lichtinduzierte Oxidation von Wasser und ist damit der zentrale Bestandteil für dessen Aufspaltung (2H2O → O2 + 4e- + 4H+). So sorgt es dafür, dass in der Erdatmosphäre molekularer Sauerstoff auftritt. Bei der Spaltung von Wasserstoff durchläuft das Photosystem-II fünf verschiedene Oxidationsstufen, die mit mehrfacher Absorption von Photonen einhergehen, vom unbelichteten Zustand („dark state“) weiter über vier belichtete Zustände. Andere Quellen von Sauerstoff spielen für die Erdatmosphäre keine entscheidende Rolle. Trotz seiner Bedeutung und obwohl entsprechend viel Forschung in die Aufschlüsselung dieses Proteinkomplexes gesteckt wurde, blieb seine genaue Struktur bislang unbekannt.
Die Forscher konnten nun die Struktur des unbelichteten und des ersten belichteten Zustands ermitteln, indem sie Röntgenbeugung und Röntgenemissionsspektroskopie gleichzeitig anwendeten. Den ersten belichteten Zustand erzeugten sie mit einem Pumplaser von 527 Nanometern Wellenlänge, der eine knappe halbe Sekunde vor dem Röntgenpuls eintraf. Beide Zustände zeigten eine ähnliche elektronische Struktur. Es scheinen also keine größeren strukturelle Veränderungen zwischen ihnen aufzutreten.
Abb.: In der Bildmitte der Proteinkomplex im unbelichteten Zustand. Mangan ist violett, Kalzium orange eingezeichnet. (Bild: J. Kern et al. / LBNL)
Die Forscher nutzten für ihre Messungen die Röntgenlaserquelle LCLS (Linac Coherent Light Source) am SLAC (Stanford Linear Accelerator Center). Die Pulslänge lag bei ungefähr 45 Femtosekunden, bei einer Wiederholrate von 120 Hertz. Die Energie variierte zwischen 7 und 9,5 Kiloelektronenvolt bei rund 3 bis 6×1011 Photonen pro Puls. Die Strahlendosis betrug entsprechend zwischen 50 und 300 Megagray.
Während Beugungssaufnahmen sich vor allem für die Bestimmung der Gesamtstruktur eignen, kann die Röntgenemissionsspektroskopie gut besetzte Elektronenzustände aufklären. Nach einigen Stunden Laufzeit konnten die Forscher aus mehreren Millionen Aufnahmen schließlich einige Tausend identifizieren, die sich für die Strukturbestimmung eigneten. Dabei erzielten sie eine Auflösung von rund 5 Ångström.
Da bislang die meisten Messungen bei tiefen Temperaturen um die 100 bis 150 Kelvin durchgeführt wurden, ließ sich kaum ausschließen, dass der Proteinkomplex sich anders verhält als in der Natur. Von großem Interesse ist deshalb, dass die Forscher nun mit der Femtosekunden-Röntgenabbildung auch bei Raumtemperatur arbeiten konnten. Die Forscher konnten auch sehen, dass die Photosystem-II-Kristalle während der Messungen intakt blieben, und zwar nicht nur während der Strukturaufnahmen, sondern auch in Bezug auf die hochgradig strahlensensitive elektronische Struktur des Mn4CaO5-Clusters.
Dirk Eidemüller
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