22.10.2014

Der Kohlenmonoxid-Trick

Neue Beobachtungsstrategie für extrem weit entfernte Galaxien.

Wissenschaftler aus Bonn und Cardiff haben eine neuartige Methode vorgestellt, mit der sich detaillierte Infor­mationen über die Galaxien am Rande des Universums gewinnen lassen, wie sie in einer Simulation mit zwei der weltweit schnellsten Super­computer zeigen konnten. Im Zentrum der neuen Beobachtungs­strategie steht das Radio­teleskop-Array ALMA.

Abb.: Das Ergebnis der Simulation (rechts) zeigt die berechnete Wasserstoff-Verteilung, die mit tatsächlichen Beobachtungen gut korrespondiert. (Bild: M. Tomassetti, RFWU)

Informationen über die Galaxien am Rande des Universums zu erhalten, ist äußerst schwierig. Zu sehr „verdünnen“ sich die Signale dieser Himmelsobjekte bei ihrer viele Milliarden Jahre dauernden Reise durch das All. Besonders kompliziert ist die Abschätzung, wie viel molekularer Wasserstoff in den Galaxien vorhanden ist. Molekularer Wasserstoff sendet so gut wie keine Strahlung aus. Doch Astrophysiker interessieren sich gerade für die Menge dieses Elements: Molekularer Wasserstoff ist der Grund­baustein für neue Sterne. Je mehr davon in den Gaswolken einer Galaxie enthalten ist, desto mehr Sterne entstehen dort also.

Astrophysiker bedienen sich daher momentan eines Tricks, um die Menge molekularen Wasserstoffs zu bestimmen: Sie messen stattdessen die Kohlen­monoxid-Menge in den Wolken – Kohlen­monoxid leuchtet weitaus stärker als molekularer Wasserstoff. Mit einem komplexen Verfahren lässt sich aus dem Kohlen­monoxid-Signal die Wasserstoff-Menge abschätzen. Diese Methode ist allerdings ungenau und fehleranfällig.

„Wir konnten zeigen, dass sich die Strahlung neutralen Kohlenstoffs viel besser dazu eignet, weit entfernte Galaxien zu beobachten“, sagt Padelis Papadopoulos von der Universität Cardiff. „Die Messwerte erlauben eine sehr genaue Abschätzung, wie viel molekularer Wasserstoff vorhanden ist.“ Leider wird die Strahlung neutralen Kohlenstoffs nahezu komplett von der Erdatmosphäre absorbiert, Schuld ist der Wasserdampf in der Luft.

Seit einigen Jahren gibt es jedoch in der chilenischen Atacama-Wüste ein neues Radioteleskop, das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array ALMA. Dort in 5000 Metern Höhe ist es so extrem trocken, dass das Teleskop die Kohlenstoff-Strahlung ohne Probleme auffangen kann. „Nach unseren Berechnungen kann ALMA Galaxien detektieren, deren Signal mehr als zwölf Milliarden Jahre zu uns unterwegs war“, sagt Matteo Tomassetti vom Argelander-Institut der Uni Bonn. „Was noch wichtiger ist: Wir können erstmals genau bestimmen, wie viel molekularer Wasserstoff in diesen Galaxien vorhanden ist.“

Der Bonner Astrophysiker Cristiano Porciani spricht von einem neuen Fenster zum jungen Universum. „Unsere theoretische Arbeit wird bedeutende Auswirkungen auf die beobachtende Astronomie haben“, betont er. „Sie wird uns helfen, den mysteriösen Ursprung der Galaxien besser zu verstehen.“

Der Erfolg ist auch ein Resultat europäischer Zusammenarbeit: Für die Simulation nutzten die Wissenschaftler zwei extrem schnelle Super­computer der Universitäten in Edinburgh und Oslo. Dass sie auf diese Rechner­kapazitäten zurück­greifen konnten, verdanken sie einer europaweiten Initiative zur Bündelung von Rechenleistung, der Partnership for Advanced Computing in Europe PRACE.

RFWU / OD

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