Der leichteste Spiegel der Welt
Neuartiges Metamaterial besteht aus einfach strukturierter Schicht aus wenigen hundert identischen Atomen.
Für gewöhnlich verwendet man bei Spiegeln hochpolierte Metalloberflächen oder speziell beschichtete Gläser, um ihre Leistung bei kleinerem Gewicht zu verbessern. Aber Forscher am MPI für Quantenoptik haben nun zum ersten Mal gezeigt, dass selbst eine einfach strukturierte Schicht aus nur wenigen hundert Atomen schon einen optischen Spiegel bilden kann. Damit ist er der leichteste Spiegel, den man sich überhaupt vorstellen kann. Er ist nur wenige zehn Nanometer dick und damit tausend Mal dünner als ein menschliches Haar. Die Spiegelung darin ist jedoch so stark, dass man sie mit dem bloßen Auge wahrnehmen könnte.
Der Spiegel arbeitet mit identischen Atomen, die in einem zweidimensionalen Feld zu einem periodischen Viereckmuster angeordnet sind. Dabei ist der Abstand zwischen den Atomen kleiner als deren optische Übergangswellenlänge. Beides sind typische und notwendige Merkmale von Metamaterialien, künstlich erschaffene Strukturen mit spezifischen Eigenschaften, die natürlicherweise kaum vorkommen. Sie erhalten ihre Eigenschaften nicht durch ihr Material, sondern durch die spezielle Struktur, in der sie angelegt werden. Die beiden Eigenschaften – das periodische Muster und die Subwellenlänge – sowie ihr gegenseitiges Zusammenspiel bilden den grundlegenden Mechanismus des neuartigen optischen Spiegels.
Einerseits unterdrücken das regelmäßige Muster und die atomaren Abstände in Subwellenlänge beide ein diffuses Streuen des Lichts und bündeln die Reflexion stattdessen in einen gerichteten und stetigen Lichtstrahl. Andererseits sorgt der vergleichsweise nahe, aber diskrete Abstand zwischen den Atomen dafür, dass ein einfallendes Photon mehr als einmal zwischen den Atomen hin- und her prallt, bevor es zurückreflektiert wird. Beide Effekte – die unterdrückte Brechung des Lichts und das Hin- und Herfedern der Photonen – führen zu einer verstärkten kooperativen Antwort an das externe Feld, also einer sehr starken Reflektion.
Mit einem Durchmesser von ungefähr sieben Mikrometern ist der Spiegel selbst viel zu klein, als dass man ihn mit dem bloßen Auge sehen könnte. Der Apparat, in dem der Spiegel gebaut wird, ist jedoch enorm groß. Ganz im Stile anderer quantenoptischer Experimente zählt er über tausend einzelne optische Komponenten und wiegt in etwa zwei Tonnen. Das neuartige Material wird also kaum Einfluss auf die handelsüblichen Spiegel nehmen, die Menschen im Alltag verwenden. Der wissenschaftliche Einfluss ist jedoch weitreichend.
„Die Ergebnisse sind für uns sehr aufregend, denn einerseits wurden photonenvermittelte Korrelationen zwischen den Atomen, so wie sie für unseren Spiegel eine grundlegende Rolle spielen, in der Quantenoptik oft vernachlässigt“, erläutert Jun Rui vom MPQ. „Auf der anderen Seite hat man solche geordneten Arrangements von Atomen, die wir mithilfe von ultrakalten Atomen in optischen Gittern erschaffen, hauptsächlich benutzt, um Modelle im Bereich der kondensierten Materie mithilfe von Quantensystemen zu simulieren. Jetzt zeigt sich, wie leistungsfähig diese Plattform auch für die Erforschung neuer quantenoptischer Phänomene ist.“ Weitere Forschungen in diese Richtung könnten nun helfen, die Grundlagen von Licht-Materie-Wechselwirkungen weiter aufzuschlüsseln, die Untersuchung der Vielteilchenphysik mit optischen Photonen zu verbessern und effizientere Quanten-Apparate auf den Weg zu bringen.
„Viele neue und spannende Möglichkeiten eröffnen sich nun für uns“, ergänzt David Wei vom MPQ. „Zum Beispiel liefert die Arbeit einen faszinierenden neuen Ansatz für die Quantenoptomechanik – ein wachsendes Feld, das die Quantennatur des Lichts mit mechanischen Mitteln untersucht. Unsere Arbeit könnte auch dabei helfen, bessere Quantenspeicher oder einen quantenschaltbaren optischen Spiegel zu bauen. Beides wären interessante und bedeutende Fortschritte auf dem Weg zur Quanteninformationsübertragung.“
MPQ / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
J. Rui et al.: A subradiant optical mirror formed by a single structured atomic layer, Nature 583, 369 (2020); DOI: 10.1038/s41586-020-2463-x - Quanten-Vielteilchensysteme, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching