29.08.2016

Der Nachthimmel über Stechlin

Lichtverschmutzung am Stechlinsee ist fast so gering wie vor Einführung der elektrischen Beleuchtung.

Am Stechlin­see im Norden Branden­burgs kann man noch Nächte fast so dunkel wie vor der Einführung der elek­trischen Beleuchtung erleben. Zu diesem Schluss kommen Wissen­schaftler des Leibniz-Instituts für Gewässer­ökologie und Binnen­fischerei IGB. Von diesen guten Bedingungen profitieren nicht nur Sternengucker, sondern auch Forscher. Im IGB-Seelabor, einer im Stech­linsee schwimmenden Forschungs­plattform, untersuchen sie die Auswirkungen der zunehmenden Licht­verschmutzung auf Seen und deren Orga­nismen. Im Fokus des heute startenden Versuchs steht die diffuse Aufhellung des Nacht­himmels durch Kunstlicht, das Himmels­leuchten.

Abb.: Mit diesen vier beleuchteten Versuchszylindern im Stechlinsee wird die Auswirkung von Lichtverschmutzung auf das Ökosystem des Sees untersucht. (Bild: A. Jechow IGB / GFZ)

Himmels­leuchten ist ein Phänomen, das über Gebieten mit künst­licher Be­leuchtung – etwa über Städten und Gewächs­häusern – auftritt und weltweit rasch an Bedeutung gewinnt. Das in den Nacht­himmel abge­strahlte Licht wird von Aero­solen und Wolken in der Atmosphäre wieder in Richtung Erde zurückgestreut, so dass ein glühendes Gewölbe am Himmel erscheint. Unter­suchungen des IGB haben jetzt gezeigt, dass der Stechlin­see im Norden Branden­burgs davon kaum betroffen ist. Der See liegt in einer der dunkelsten Regionen Deutsch­lands.

Am Anfang stand die Idee, in einem Freiland­experiment zu erforschen, wie sich das Himmels­leuchten auf Seen auswirkt. Dafür braucht es aber ein Gewässer, das nicht bereits durch Licht­verschmut­zung belastet ist. Prinzi­piell schien den IGB-Forschern der Stechlin­see dafür geeignet. Darauf deuteten Modell­rechnungen hin, die auf nächt­lichen Satelliten­aufnahmen aus den 1990er Jahren beruhten. Doch seither hat sich in puncto Beleuch­tung viel getan. Aus diesem Grund unter­suchten Andreas Jechow und Kollegen die Himmels­hellig­keit über dem Stechlin erneut. Statt sich wieder auf Satelliten­bilder zu stützen, die nur begrenzte Aussage­kraft haben, arbeiteten sie diesmal mit einem auf dem See instal­lierten Sensor. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Nacht­himmel über dem Stechlin­see heute noch nahezu so dunkel ist wie in klaren mond­losen Nächten vor Einführung der elek­trischen Beleuch­tung. „Besonders überrascht hat uns, dass trotz der Nähe zu Berlin die Himmels­helligkeit über dem Stech­linsee durch Wolken sogar noch weiter herabgesetzt wird. Eigent­lich ist das normal, trifft aber heute nur noch auf ganz wenige Regionen der Welt zu“, sagt der Physiker Andreas Jechow.

Der Stech­linsee bietet also beste Referenz­bedingungen für das nun begin­nende Freiland­experiment. Der Versuch, an dem 60 Wissen­schaftler aus über 10 Ländern beteiligt sind, dauert bis Mitte Oktober und findet am Seelabor, der im Stechlin­see schwim­menden Forschungs­plattform des IGB, statt. Die Versuchs­anlage besteht aus 24 Zylindern, die See­becken von jeweils neun Metern Durch­messer und zwanzig Metern Tiefe einschließen. Für die Versuche haben die Wissen­schaftler ein spezielles System mit LED-Leuchten entwickelt und instal­liert, mit dem das diffuse Licht des Himmels­leuchtens im Seelabor simuliert wird. Um die Reaktionen im Öko­system See zu verfolgen, werden in den nächsten Wochen am Tag und in der Nacht umfangreiche Proben genommen.

Dabei kommt auch modernste Video- und Sonar­technik zum Einsatz, mit der die For­schenden das Wander­verhalten von Schlüssel­arten wie den Wasser­flöhen und Fischen beobachten. „Die Effekte dieser Art von Licht­verschmutzung auf das Öko­system und die Bio­diversität sind weitgehend unbekannt, könnten aber erheblich sein“, erklärt Mark Gessner, der Co-Leiter des Forschungs­projekts „Seeöko­systeme erleuchten“. Die Ergeb­nisse des Versuchs versprechen sowohl grundlegend neue Erkennt­nisse zur Wirkung nächtlicher Beleuchtung auf Seen als auch Hinweise, die für das Gewässer­management bedeutsam sind.

IGB / JOL

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