14.09.2017

Der Strahl, der unsichtbar macht

Bestrahltes Material lässt seitlich ankommenden Licht­strahl unge­stört passieren.

Wie macht man Materialien unsichtbar? Ein Forscherteam der TU Wien hat mit Unter­stützung aus Griechen­land und den USA einen neuen Ansatz für Tarn­kappen-Techno­logien ent­wickelt: Ein voll­ständig undurch­sich­tiges Material wird von oben oder unten mit einem ganz bestimmten Wellen­muster bestrahlt – und das führt dazu, dass Licht­wellen von links nach rechts völlig unge­hindert durch das Material dringen können. Dieses über­raschende Resultat eröffnet ganz neue Möglich­keiten für aktive Camou­flage. Das Prinzip ist für ganz unter­schied­liche Arten von Wellen anwend­bar – nicht nur für Licht, sondern etwa auch für Schall­wellen. Erste Experi­mente dazu sind bereits in Planung.

Abb.: Von oben wird das Material mit einem ganz be­stimm­ten Muster be­leuch­tet, dadurch kann die Welle von links das Objekt un­ge­stört durch­dringen. (Bild: TU Wien)

„Komplizierte Materialien wie etwa ein Stück Würfelzucker sind undurch­sichtig, weil die Licht­wellen in ihnen un­zählige Male abge­lenkt und gestreut werden“, erklärt Stefan Rotter von der TU Wien. „Das Licht kann zwar ein­dringen und irgend­wo wieder heraus­kommen, aber die Licht­welle kann sich nicht gerad­linig durch das Medium hin­durch­bewegen. Statt­dessen wird sie chaotisch in alle Rich­tungen gestreut.“

Seit Jahren gibt es verschiedene Versuche, die Wellenstreuung zu über­listen und somit eine Art „Tarn­kappe“ herzu­stellen. So kann man etwa aus spezi­ellen Materi­alien Objekte her­stellen, die bestimmte Licht­wellen außen um sich herum­leiten. Es gibt auch Experi­mente mit Gegen­ständen, die von sich aus Licht ab­strahlen: Wenn ein Bild­schirm nach vorne genau das Licht aus­sendet, das er auf der Rück­seite absor­biert, dann erscheint er unsicht­bar – zumin­dest, wenn man ihn aus dem rich­tigen Winkel betrachtet.

An der TU Wien versuchte man jetzt, das Problem auf funda­mentaler Ebene zu lösen. „Wir wollten die Licht­welle nicht um­leiten oder mit Zusatz-Displays wieder­her­stellen, sondern die ursprüng­liche Licht­welle auf geradem Weg durch das Objekt steuern, so als wäre das Objekt gar nicht da“, sagt Team-Mitglied Andre Brand­stötter. „Das klingt merk­würdig, doch mit bestimmten Materi­alien und unserer spezi­ellen Wellen­techno­logie ist das möglich.“

Das Forschungsteam beschäftigt sich schon seit längerer Zeit mit optisch aktiven Materi­alien, wie man sie zur Her­stel­lung von Lasern verwendet. Damit ein Laser zu leuchten beginnt, muss ihm in Form von Licht Energie zuge­führt werden. Tut man das nicht, verhält sich das Laser-Material wie die meisten anderen auch: Es absor­biert einen Teil des ein­fallen­den Lichts. „Der ent­schei­dende Trick ist, dem Material punkt­genau Energie zuzu­führen und an anderen Stellen Absorp­tion zu erlauben“, erklärt Konstan­tinos Makris von der Uni Kreta. „Von oben wird genau das richtige Punkt­muster auf das Material gestrahlt – wie durch einen gewöhn­lichen Video­projektor, aller­dings mit sehr hoher Auf­lösung.“

Passt dieses Muster genau zu den inneren Unregelmäßigkeiten im Material, an denen normalerweise das Licht gestreut wird, kann man durch das von oben zugeführte Licht die Streuung praktisch ausschalten und ein Lichtstrahl kann von links nach rechts völlig ungehindert und verlustfrei durch das Material gelangen.

„Dass es mathematisch überhaupt möglich ist, ein solches Punkt­muster zu finden, ist auf den ersten Blick nicht sofort ersicht­lich“, sagt Rotter. „Insbe­sondere muss jedes Objekt, das man durch­sichtig machen will, mit einem eigenen Punkt­muster bestrahlt werden – abhängig von der mikro­sko­pischen Streu­ung in seinem Inneren. Wir haben nun eine Methode ent­wickelt, für ein belie­biges, zufällig streu­endes Objekt genau das richtige Bestrah­lungs-Punkt­muster zu errechnen.“

Dass die Methode funktioniert, konnten die Forscher in Computer­simula­tionen bereits zeigen. Nun soll die Idee experi­mentell umge­setzt werden. Rotter ist zuver­sicht­lich, dass das gelingen wird: „Wir sind bereits im Gespräch mit experi­men­tellen Forschungs­gruppen, mit denen wir das tech­nisch um­setzen möchten. In einem ersten Schritt ist es wahr­schein­lich ein­facher mit Schall­wellen anstatt mit Licht zu arbeiten – aus mathe­ma­tischer Sicht spielt dieser Unter­schied keine erheb­liche Rolle.“

TU Wien / RK

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