Der Stress mit dem Wind
Wenn die Gondeln Aktoren tragen: Schwingungen von Windkraftanlagen um bis zu 80 % reduziert.
Auch Windkraftanlagen haben Stress. Sie sind hohen dynamischen Belastungen ausgesetzt, was starke Vibrationen auslöst. Das kann die Lebensdauer der Komponenten reduzieren und zu unerwünschten Schallemissionen führen. Dementsprechend ist die Konstruktion schwingungsarmer WKAs eine große Herausforderung. Bekannt ist, dass passive Lösungsansätze zur Schwingungsminderung das Problem häufig nur unzureichend lösen können. Das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF forscht seit vielen Jahren an Methoden zur aktiven Schwingungs- und Schallreduktion, deren Einsatz auch an Windkraftanlagen bisher wenig verbreitet ist.
Abb.: Instrumentierung der Kleinwindanlage des Fraunhofer-Insituts (links) und die Versuchsanlage mit aktivem Zusatzsystem im CAD (rechts; Bilder: Fh.-LBF)
In einem Forschungsprojekt konnten die Darmstädter Forscher die Möglichkeiten aktiver Maßnahmen zur Schwingungsreduktion in Windkraftanlagen aufzeigen. Als Technologiedemonstrator verwendete das LBF eine Anlage vom Typ AeroCraft 752 der Firma Gödecke Energie- und Antriebstechnik. Im ersten Schritt lieferte eine experimentelle Untersuchung die strukturdynamischen Eigenschaften der WKA, die zur Abbildung des dynamischen Verhaltens mit Hilfe der Software Matlab/Simulink genutzt wurden. Aus Betriebsmessungen synthetisierte Anregungssignale dienten anschließend für Simulationen an diesem numerischen Modell und zur modellbasierten Auslegung des schwingungsmindernden Zusatzsystems.
Wie eine Analyse der Daten aus der Betriebsmessung zeigte, weist der überwiegende Anteil der Störungen eine Korrelation zur Drehzahl auf. Diese resultieren vorrangig aus Rückwirkungen vom Generator, die zu periodischen Anregungen führen. Darüber hinaus wird das System sowohl durch Unwuchten als auch durch die Wechselwirkungen zwischen den Rotorblättern und dem ungleichförmigen Windfeld zum Schwingen angeregt. Die unmittelbare Anfachung durch den Wind und Strömungsablösungen spielt insgesamt nur eine untergeordnete Rolle.
Da es sich um drehzahlkorrelierte Schwingungen handelt, konnten die Darmstädter Wissenschaftler einen speziellen Algorithmus wählen. Dieser leitet zusätzliche phasenversetze Schwingungen in das System ein, die zu einer Auslöschung der unerwünschten Vibrationen führen. Der Algorithmus konnte sich bereits bei ähnlichen Aufgabenstellungen bewähren, etwa zur Schallreduktion im Innenraum von Autos.
Anhand des um diesen Regler erweiterten Gesamtsystemmodells wurden die Anforderungen an das aktive Zusatzsystem bestimmt und ein geeigneter elektrodynamischer Aktor zur Einleitung der schwingungsmindernden Gegenkräfte ausgewählt. Der Aktor ist in unmittelbarer Nähe zum Generator platziert, was eine effektive Schwingungsminderung gewährleistet. Das zur Schwingungskompensation erforderliche Steuersignal für den Aktor berechnet der Algorithmus aus der Anlagendrehzahl und dem zu minimierenden Fehlersignal, das ein Beschleunigungssensor auf Höhe der Nabe erfasst.
Im Anschluss an die Simulationen baute das LBF das System auf und testete es an der Anlage. Die Gegenüberstellung der Messergebnisse des ungeregelten und geregelten Betriebs zeigte eine deutliche Reduktion bei den untersuchten Drehzahlordnungen. Abhängig von der Anlagendrehzahl werden dabei Reduktionen von bis zu achtzog Prozent erreicht.
Das beispielhaft am Fraunhofer LBF an einer Klein-WKA umgesetzte Projekt verdeutlicht das hohe Potential aktiver Systeme zur Schwingungsreduktion an Windkraftanlagen. Bei Klein-WKAs ist der Einsatz solcher Systeme zur Reduktion des Körperschalleintrags in die Gebäude denkbar. Aber auch eine Übertragung des Regelungskonzepts auf große Exemplare zur Reduktion getriebeverursachter Schwingungen und Schallabstrahlung ist vorstellbar. Hierzu sind weitere Detailuntersuchungen an einer großen Anlage erforderlich.
Fh.-LBF / OD