16.06.2015

Der Stress mit dem Wind

Wenn die Gondeln Aktoren tragen: Schwingungen von Wind­kraft­anlagen um bis zu 80 % reduziert.

Auch Windkraftanlagen haben Stress. Sie sind hohen dynamischen Belas­tungen ausgesetzt, was starke Vibrationen auslöst. Das kann die Lebensdauer der Komponenten reduzieren und zu unerwünschten Schall­emissionen führen. Dementsprechend ist die Konstruktion schwingungs­armer WKAs eine große Heraus­forderung. Bekannt ist, dass passive Lösungs­ansätze zur Schwing­ungs­minde­rung das Problem häufig nur unzureichend lösen können. Das Fraun­hofer-Institut für Betriebs­festigkeit und System­zuverläs­sigkeit LBF forscht seit vielen Jahren an Methoden zur aktiven Schwingungs- und Schall­reduktion, deren Einsatz auch an Wind­kraft­anlagen bisher wenig verbreitet ist.

Abb.: Instrumentierung der Kleinwindanlage des Fraunhofer-Insituts (links) und die Versuchsanlage mit aktivem Zusatzsystem im CAD (rechts; Bilder: Fh.-LBF)

In einem Forschungsprojekt konnten die Darmstädter Forscher die Mög­lich­keiten aktiver Maß­nahmen zur Schwing­ungs­reduk­tion in Wind­kraft­anlagen aufzeigen. Als Technologiedemonstrator verwendete das LBF eine Anlage vom Typ AeroCraft 752 der Firma Gödecke Energie- und Antriebs­­technik. Im ersten Schritt lieferte eine experimentelle Untersuchung die struktur­dynamischen Eigenschaften der WKA, die zur Abbildung des dynamischen Verhaltens mit Hilfe der Software Matlab/Simulink genutzt wurden. Aus Betriebs­messungen synthetisierte Anregungs­signale dienten anschließend für Simulationen an diesem numerischen Modell und zur modell­basierten Auslegung des schwing­ungs­­min­dern­den Zusatz­systems.

Wie eine Analyse der Daten aus der Betriebsmessung zeigte, weist der überwiegende Anteil der Störungen eine Korrelation zur Drehzahl auf. Diese resultieren vorrangig aus Rück­wirkungen vom Generator, die zu periodischen Anregungen führen. Darüber hinaus wird das System sowohl durch Unwuchten als auch durch die Wechsel­wirkungen zwischen den Rotor­blättern und dem ungleich­förmigen Windfeld zum Schwingen angeregt. Die unmittelbare Anfachung durch den Wind und Strömungs­ablösungen spielt insgesamt nur eine untergeordnete Rolle.

Da es sich um drehzahlkorrelierte Schwingungen handelt, konnten die Darmstädter Wissen­schaftler einen speziellen Algo­rithmus wählen. Dieser leitet zusätzliche phasenversetze Schwingungen in das System ein, die zu einer Auslöschung der unerwünschten Vibrationen führen. Der Algorithmus konnte sich bereits bei ähnlichen Aufgaben­stellungen bewähren, etwa zur Schall­reduktion im Innenraum von Autos.

Anhand des um diesen Regler erweiterten Gesamtsystemmodells wurden die Anforderungen an das aktive Zusatzsystem bestimmt und ein geeigneter elektrodynamischer Aktor zur Einleitung der schwingungsmindernden Gegenkräfte ausgewählt. Der Aktor ist in unmittelbarer Nähe zum Generator platziert, was eine effektive Schwingungs­minderung gewährleistet. Das zur Schwingungs­kompensation erforderliche Steuer­signal für den Aktor berechnet der Algorithmus aus der Anlagen­drehzahl und dem zu minimierenden Fehlersignal, das ein Beschleu­nigungs­sensor auf Höhe der Nabe erfasst.

Im Anschluss an die Simulationen baute das LBF das System auf und testete es an der Anlage. Die Gegen­über­stellung der Mess­ergeb­nisse des ungere­gelten und geregelten Betriebs zeigte eine deutliche Reduktion bei den unter­suchten Drehzahl­ordnungen. Abhängig von der Anlagen­drehzahl werden dabei Reduk­tionen von bis zu achtzog Prozent erreicht.

Das beispielhaft am Fraunhofer LBF an einer Klein-WKA umgesetzte Projekt verdeutlicht das hohe Potential aktiver Systeme zur Schwingungs­reduktion an Windkraft­anlagen. Bei Klein-WKAs ist der Einsatz solcher Systeme zur Reduktion des Körper­schall­eintrags in die Gebäude denkbar. Aber auch eine Übertragung des Regelungs­konzepts auf große Exemplare zur Reduktion getriebe­verur­sachter Schwingungen und Schall­abstrahlung ist vorstellbar. Hierzu sind weitere Detail­unter­suchungen an einer großen Anlage erfor­derlich.

Fh.-LBF / OD

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