Der tödliche Winkel
Chicxulub-Asteroideneinschlag erfolgte in genau dem Winkel, der klimatische Veränderungen maximierte.
Wie konnte es dazu kommen, dass ein Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren nahe der heutigen Hafenstadt Chicxulub in Mexiko ungefähr 75 Prozent des damaligen Lebens auf der Erde auslöschte? Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung von Ulrich Riller aus dem Fachbereich Geowissenschaften der Universität Hamburg hat diese Frage mithilfe von Bohrkernen und Computersimulationen untersucht. So belegen Computersimulationen und Hinweise auf die Flugbahn, die in den Gesteinsschichten unter dem Krater zu finden sind, dass der Asteroid mit einem Durchmesser von etwa 14 Kilometern in einem Winkel von etwa sechzig Grad über dem Horizont aus Richtung Nordosten auf der Erde einschlug.
„Dieser ‚tödliche Winkel‘ verursachte die größtmögliche Einschlagsenergie und führte zu einer maximalen Freisetzung von klimaverändernden Gasen aus der Erdkruste, die in die obere Atmosphäre geschleudert wurden und die Sonne für mehrere Jahre verdunkelten“, sagt Ulrich Riller, auf dessen geologischen Erkenntnissen die geophysikalischen Simulationen der aktuellen Studie basieren.
Schwefelverbindungen waren dabei besonders gefährlich, da sie giftige Gase und Aerosole bildeten. Diese winzigen Partikel blockierten die Sonneneinstrahlung sowie die Photosynthese der Pflanzen. Das gesamte Klima kühlte sich rasch ab. Der Asteroideneinschlag löste damit eine Kette von klimatischen und ökologischen Ereignissen aus, die zu einem Massenaussterben führten, dem letztlich auch die Dinosaurier zum Opfer fielen.
Die Gase bildeten sich, weil verschiedene Minerale im Gestein durch die gewaltigen Kräfte des Asteroiden verdampften. Das zeigen unter anderem Bohruntersuchungen des Forschungsteams. „Die Tatsache, dass sogenannte Evaporite, insbesondere Gipse, in den Bohrkernen fehlen, wird dadurch erklärt, dass die Verdampfung solcher Gesteine bei einem Einschlagswinkel von sechzig Grad am größten ist. Damit sind beim Einschlag des Meteoriten riesige Mengen giftiger Sulfat-Gase, Wasserdampf und Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt“, so Riller. Geophysikalische Simulationen hätten gezeigt, dass bei einem steileren oder flacheren Winkel durch die verringerte Einschlagsenergie geringere Mengen freigesetzt worden wären.
Ausschlaggebend für die Ermittlung des Einschlagswinkels und der Einschlagsrichtung war zudem die Beziehung zwischen dem Kraterzentrum, dem Zentrum des Ringgebirges — ein Ring von Bergen innerhalb des Kraters — und dem Zentrum des angehobenen Mantelgesteins, etwa dreißig Kilometer unterhalb des Kraters.
Die Grundlage der Berechnungen bildete die Erkenntnis, dass Gestein beim Einschlag eines Meteoriten vorübergehend den Zustand ändert. „Krater dieser Größe entstehen innerhalb von zehn Minuten. Dies setzt voraus, dass sich das Gestein kurzzeitig wie eine Flüssigkeit verhält“, erklärt Riller. Gemeinsam mit seinen Kollegen konnte der Hamburger Forscher 2018 erstmalig die verschiedenen Mechanismen belegen, die dieses extreme mechanische Verhalten von Gestein bei einem Meteoriteneinschlag bewirken.
U. Hamburg / DE