Deutschland öffnet sich für Ost-Ingenieure
Angesichts des wachsenden Fachkräftemangels öffnet Deutschland seinen Arbeitsmarkt für Ingenieure aus den neuen EU-Beitrittländern.
Berlin/Lissabon (dpa) - Angesichts des wachsenden Fachkräftemangels öffnet Deutschland seinen Arbeitsmarkt für Ost-Ingenieure. Elektro- und Maschinenbauingenieure aus den neuen EU-Beitrittländern können vom 1. November an eingestellt werden, ohne dass wie bisher deutschen Bewerbern der Vorzug zu geben ist. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) betonte aber am Donnerstag, abgesehen von diesen Spezialkräften sollten heimische Arbeitskräfte bei der Stellenbesetzung grundsätzlich weiter Vorrang haben.
In Lissabon stellte EU-Kommissar Franco Frattini ein Konzept für eine sogenannte Blue Card vor, mit der künftig hochqualifizierte Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten im Schnellverfahren eine Arbeitserlaubnis erteilt werden soll. Kritik daran kam aus der CDU, während die Wirtschaft die Initiative begrüßte. «Der Zugang zum Arbeitsmarkt muss Sache der nationalen Regierungen bleiben», sagte der Innenpolitiker Reinhard Grindel «Spiegel online». Dies sei auch ausdrücklich im europäischen Verfassungsvertrag vorgesehen.
Nach Frattinis Vorstellungen sollen die erleichterten Zuwanderungs- und Einstellungsregeln für Qualifizierte europaweit gelten und auf nationalen Mindestlöhnen basieren. Den entsprechenden Gesetzentwurf wolle er am 23. Oktober vorlegen. «Wir müssen die Einwanderung als Bereicherung und als unvermeidliche Erscheinung der heutigen Welt sehen, nicht als Bedrohung», sagte Frattini laut Redetext. Er betonte, dass 85 Prozent der ungelernten Migranten in Europa eine Arbeit suchten, aber nur 5 Prozent der wanderwilligen Fachkräfte. Von den Spezialisten gingen 55 Prozent in die USA. Frattini: «Diese Zahlen müssen wir mit einer neuen Vision umdrehen, und dafür brauchen wir neue Mittel.»
In der Haushaltsdebatte des Bundestages kritisierten die Oppositionsparteien Ausbildungs- und Studienplatzabbau. Mit weniger Lehrstellen in den Betrieben und dem Streichen von Studienplätzen in den vergangenen Jahren durch die Länder werde der Fachkräftemangel nicht bekämpft, sagte der Grünen-Bildungspolitiker Kai Gehring. Die Studienanfängerzahlen an deutschen Hochschulen sind jetzt im dritten Jahr in Folge zurückgegangen, obwohl es mehr Abiturienten gibt. Petra Sitte von der Fraktion Die Linke rügte die Einführung von Studiengebühren in unionsgeführten Bundesländern.
EU-Studien bezifferten den Bedarf eingewanderter Arbeitskräfte in den Ländern der Gemeinschaft bis zum Jahr 2020 auf 20 Millionen. 30 Jahre später würden schätzungsweise 50 Millionen gebraucht. Frattini bekräftigte, dass weiterhin die Mitgliedstaaten über das Maß der Zuwanderung auf ihre jeweiligen Arbeitsmärkte entscheiden sollen. Vor allem Deutschland hat immer wieder auf einer solchen Regel bestanden. Der Zugang zum Arbeitsmarkt soll nach Frattinis Vorstellungen zunächst auf zwei Jahre begrenzt werden, aber verlängerbar sein. Auch Umzüge in der EU würden erlaubt. Einen Gesetzentwurf will der EU- Kommissar Ende Oktober vorlegen.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte den EU-Vorstoß. «Es ist gut, dass die EU eine verstärkte Debatte über Erleichterungen bei der Arbeitsmigration anstößt - auch wenn die Entscheidung letztlich bei den Mitgliedstaaten verbleiben sollte», sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der «Berliner Zeitung». Die deutsche Regelung, nach der ein Jahresgehalt von 85 500 Euro Bedingung für den Zuzug ist, sei gerade für kleine und mittlere Unternehmen oftmals «eine zu hohe Hürde», sagte Wansleben.