Diamanten sind des Magnetoskopen beste Freunde
Neue Technik erlaubt die magnetische Abbildung einzelner Elektronenspins bei Raumtemperatur.
Wichtige Techniken wie die Magnetresonanzspektroskopie und die Kernspinresonanzspektroskopie basieren auf der Messung einer Vielzahl von Elektronenspins. Will man weiter gehen und etwa die Struktur einzelner Moleküle magnetisch abbilden, muss man zu neuen Techniken greifen. Denn herkömmliche Fernfeldmessungen sind zu schwach, um einzelne Spins erfassen zu können. Bislang ließen sich einzelne Elektronenspins aber nur unter Extrembedingungen wie Tiefsttemperaturen und Hochvakuum messen. Um aber insbesondere organische Moleküle unter realitätsnahen Bedingungen und ohne Strukturschäden untersuchen zu können, sind hochsensible Nahfeldmethoden erforderlich. Amerikanische Physiker haben nun ein Verfahren vorgestellt, mit dem sie einzelne Elektronenspins unter Umgebungsbedingungen wie Raumtemperatur und Normaldruck darstellen können.
Abb.: Das NV-Magnetometer besteht aus einem Diamant-Nanostempel, der über eine Probe gefahren wird. Der Spin wird optisch über einen Laser initialisiert und ausgelesen. Mikrowellenstrahlung nahe der Resonanz erlaubt kohärente Spinmanipulation. (Bild: M. S. Grinolds et al.)
Hierzu wählten sie speziell gefertigte Diamant-Nanokristalle mit Stickstoff-Fehlstellen. Diese weisen einen Spin auf, der auch bei Raumtemperatur kontrolliert werden kann. Solche Nitrogen-Vacancy-Zentren lassen sich optisch initialisieren und auslesen . Sie besitzen auch unter Umgebungsbedingungen lange Kohärenzzeiten. Außerdem ermöglichen neue Verfahren der Fertigungstechnik die Herstellung solcher Nanokristalle, bei denen sich die NV-Zentren einzeln knapp unter der Oberfläche befinden, weshalb diese Kristalle sich besonders als Nahfeld-Magnetometer eignen. Die Forscher benutzten sowohl als Sensor wie als Messobjekt Nanokristalle, deren NV-Zentren sich nur 25 Nanometer unter der Oberfläche befanden.
Das Sensor-NV-Zentrum lag in einem Nanostempel, der über die Probe gefahren wurde. Der typische Durchmesser der plateauförmigen Stempel lag bei circa 200 Nanometern. Im Durchschnitt enthielt jeder von ihnen einen einzelnen NV-Spin. Die Ortskontrolle der Nanostempel erfolgte durch atomares Kraftfeedback zwischen Stempelspitze und Probe. Die Forscher nutzten die spinabhängige Fluoreszenzstrahlung der NV-Zentren, um den Sensor auszulesen. Die Anregungsfrequenz des Lasers betrug 532 Nanometer.
Abb.: Beim Versuch bestanden sowohl Sensor als auch Messobjekt aus NV-Zentren in Diamant-Nanostempeln. Je nach relativer Position unterscheidet sich die Intensität des Fluoreszenzslichtes und erlaubt so die Bestimmung des Objektspins. (Bild: M. S. Grinolds et al.)
Mit Hilfe von Mikrowellenstrahlung gelang es den Forschern, den Sensorspin kohärent zu manipulieren. Zur Bestimmung des Magnetfeldstärke nutzten sie die Elektronenspinresonanz, die sie entweder über Mikrowellenstrahlung nahe der Resonanzfrequenz hervorriefen oder durch speziell gepulste Strahlung, bei der der NV-Spin unter dem Einfluss des lokalen Magnetfeldes präzessiert.
Um den Sensor- und den Objektspin auseinanderhalten und individuell kontrollieren zu können, wählten die Forscher für beide eine unterschiedliche kristallographische Orientierung, sodass die Quantisierungsachsen der beiden Spins voneinander abwichen. Indem sie ein äußeres, statisches Magnetfeld anlegten, konnten sie die Elektronenspinresonanz-Messungen spektral auseinanderhalten.
Mit dem Diamantstempel scannten die Forscher dann den Objektspin ab und zeichneten das Fluoreszenzlicht als Funktion des Ortes auf. Dies ist möglich, da das Licht des Sensors in den Zielkristall gelangen kann und ebenso das Licht des Objektspins in den Sensorkristall eindringt. Aufgrund des hohen Brechungsindex von Diamant koppelt das Fluoreszenzlicht des Messobjektes sehr gut in den Sensorstempel, sodass dieser zugleich als Wellenleiter dient. Je nachdem, wie stark die beiden Spins sich überlappten und wie weit der Objektspin sich unter dem Nanostempel befand, konnten die Forscher dessen Ort bestimmen. Das lokale Magnetfeld ermittelten sie über Pulssequenzen, die aus einer Kombination von dynamischer Entkopplung und doppelter Elektron-Elektron-Resonanz bestanden.
Da die beiden Nanostempel direkt aufeinander lagen, sollte der Abstand zwischen den beiden NV-Zentren rund 50 Nanometer betragen. Dies entspräche einer Magnetfeldstärke von rund 10 Nanotesla. Durch mehrfache Scans über die 200 mal 200 Nanometer große Stempelfläche und Bildung des Mittelwertes konnten die Forscher ein räumliches Bild des Magnetfeldes gewinnen. Die Messdaten ergaben einen räumlichen Abstand von 51 ± 2 Nanometern und eine Magnetfeldstärke am Sensor von 8,6 Nanotesla. Dies bestätigte die theoretischen Erwartungen, dass sich hier ein einzelner Elektronenspin bei Raumtemperatur messen ließ.
Das Signal-Rausch-Verhältnis lag bei einer Messzeit von 2,3 Minuten bei eins und stieg bei 42 Minuten auf 4,3. Der Hauptteil des Rauschens war das Schrotrauschen der Photonen. Da dipolare Felder mit der dritten Potenz des Abstands abnehmen, verbessert sich das Signal-Rausch-Verhältnis mit kürzerer Distanz zwischen Sensor und Objekt stark. Schon eine geringfügige Annäherung zwischen beiden würde deshalb zu Messzeiten im Bereich von Sekunden führen.
Neben der Strukturbiologie existiert eine ganze Reihe möglicher Anwendungsfelder für die Einzelspin-Magnetometrie unter Umgebungsbedingungen. Zwar sind die meisten Spins bei Raumtemperatur unpolarisiert. Die Forscher gehen aber davon aus, dass die neue Methode zur Erforschung etlicher Phänomenen interessant sein könnte. Dies betrifft sowohl topologische Isolatoren als auch spin-polarisierte Ströme beim Hall-Effekt sowie verschiedene ferromagnetische Phänomene. Solche Systeme sind nicht zuletzt für die Spintronic und das Quantencomputing von Bedeutung.
Dirk Eidemüller
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