Die EU sucht Anschluss
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso schlägt erneut die Gründung eines Europäischen Technologieinstituts vor.
Die EU sucht Anschluss
Brüssel (dpa) - EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kann beschwörende und betörende Worte finden, wenn es um die Zukunft Europas geht. Da gelte es, Mauern niederzureißen, ein Flaggschiff zu schaffen, einen Raum der Innovation zu gestalten, um Exzellenz gedeihen zu lassen. Erneut rührte Barroso am Mittwoch in Brüssel die Trommel für eine Idee, die er schon im Februar 2005 präsentiert hatte: Ein Europäisches Technologieinstitut (EIT).
Und natürlich erinnert die englische Abkürzung EIT an das berühmte Massachusetts Institute of Technology - MIT, die US-Kaderschmiede, die stolz auf ihrer Interseite mit 63 Nobelpreis-Trägern wirbt (http://web.mit.edu/). Seit sich 1865 die ersten Studenten einschrieben, wuchs in Cambridge im Bundesstaat Massachusetts eine Macht des Wissens.
Und das will nun auch Europa? Nein, außer beim Klang des Namens werden die beiden Institutionen kaum etwas gemein haben. Klar, sagte Barroso: «Das EIT soll Talente anziehen und die besten Akteure im Wissensdreieck zusammenführen. Wir fallen hinter den USA zurück.» Recht hat er. Denn noch immer hinkt die EU bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung gemessen an der Wirtschaftskraft deutlich hinterher. Die EU gebe 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung aus, die USA 2,6 Prozent und Japan 3,2 Prozent, erläuterte Barroso.
Die Dimensionen können auf beiden Seiten des Atlantiks also kaum unterschiedlicher sein. Vielleicht 2008 soll das EIT an einem bisher noch nicht feststehenden Ort entstehen und von 2009 an arbeitsfähig sein. Bis 2013 sollen 2,4 Milliarden Euro ausgegeben werden, von denen ein Teil die Industrie aufbringen soll. Wer in der EU was zahlt, ist völlig offen. Das EIT mit etwa 60 Beschäftigten soll von einem 15-köpfigen hochkarätigen Vorstand aus Forschung und Industrie geleitet werden. «Wir müssen die Grenzen zwischen Lehre, Forschung und Industrie auf europäischer Ebene überwinden», sagte Barroso.
Dass diesem Projekt wirklich Leben eingehaucht wird, liegt also in den Händen der EU-Staats- und Regierungschefs. Und Barroso wird ihnen an diesem Freitag beim Gipfel im finnischen Lahti das EIT wieder ans Herz legen und sie dabei an das Jahr 2000 erinnern. Damals in Lissabon hatten sich die «Chefs» das Ziel gesetzt, am Ende des Jahrzehnts die EU im globalen Maßstab zum wissens- und leistungsstärksten Wirtschaftsraum zu machen. Pustekuchen: 2005 mussten die EU-Staaten einräumen, dass das Ziel nicht mehr zu erreichen sei. Seitdem werden kleinere Brötchen gebacken und weniger markige Worte in Gipfelerklärungen geschrieben.
Martin Romanczyk, dpa