11.04.2016

Die ganze Welt wird smart

Software und physische Komponenten wachsen zu inte­grierten Systemen zu­sammen – und bringen uns eine Welt, in der alles ver­netzt ist.

Man tippt Daten ein, lässt den Computer rechnen, und am Ende bekommt man ein Ergebnis ange­zeigt – so sah lange Zeit die Arbeit mit Computer­pro­grammen aus. Doch heute genügt das längst nicht mehr. Computer­programme steuern den Air­bag im Auto, die Raum­temperaturen in Häusern und den Takt von Herz­schritt­machern. Soft­ware und physische Kompo­nenten wachsen zu inte­grierten Systemen zusammen, und viele solche Systeme werden zu „Cyber-Physical Systems“ – kurz CPS – ver­bunden, um gemeinsam Probleme lösen zu können.

Abb.: Vom Chip, der Air­bags auslöst bis zur intel­li­genten Stadt: „Cyber-Physical Systems“ bringen uns eine Welt, in der alles ver­netzt und vieles ein­facher ist. (Bild: TU Wien)

Österreich spielt in diesem Bereich eine inter­national führende Rolle – sowohl in der akade­mischen Forschung als auch in der industri­ellen Anwendung. Jetzt findet in der Wiener Hof­burg die wichtigste wissen­schaft­liche Veran­staltung in diesem Bereich statt: Gleich vier wichtige Konfe­renzen wurden zur „CPS-Week“ kombi­niert, an der vom 11. Bis zu 14. April etwa tausend Forsche­rinnen und Forscher aus der ganzen Welt teil­nehmen.

„Cyber-physische Systeme werden unseren Alltag völlig verändern“, erklärt Radu Grosu von der TU Wien. „Man schätzt, dass bis zum Jahr 2020 auf jeden Menschen unge­fähr tausend elek­tro­nische Systeme kommen.“ In jedem Auto sind schon heute viele kleine mit­ein­ander ver­netzte Pro­zessoren einge­baut. Schon bald werden die meisten Autos auto­matisch fahren und durch smarte Steuerung mit­ein­ander aus­handeln, wer welchen Weg nehmen soll. Cyber-physische Systeme in Gebäuden werden das Wohnen ange­nehmer machen und für mehr Sicher­heit sorgen. In den Fabriken werden sich Maschinen selbst­ständig auf­ein­ander ab­stimmen – unter Schlag­worten wie „Industrie 4.0“ oder „Inter­net der Dinge“ werden diese Ent­wicklungen mittler­weile welt­weit diskutiert und zum Teil auch bereits umge­setzt.

Wissenschaftlich betrachtet bringt das viele neue Heraus­forderungen mit sich. „Der Faktor Zeit muss in cyber-physischen Systemen ganz anders berück­sichtigt werden als in früheren Computer­programmen“, sagt Thomas Henzinger vom Institute of Science and Technology Austria. „Lösungen müssen zuver­lässig in Echt­zeit gefunden werden. Wenn ein Programm auf meinem Desk­top für ein paar Sekunden ein­friert oder nach einem Update neu gestartet werden muss, dann ist das kein großes Problem. Doch bei der Steuerung eines Flug­zeugs könnte das zu einer Kata­strophe führen.“

Die physischen Eigenschaften des Systems legen fest, wie lange die Soft­ware Zeit hat, um eine Antwort zu finden. Es muss nicht unbedingt die best­mögliche Antwort sein. Eine brauchbare Näherungs­lösung zur richtigen Zeit ist besser als die exakte Lösung, die zu spät kommt. Ein weiteres Charakte­ristikum von cyber-physischen Systemen ist ihre intrin­sische Unsicher­heit. „Wir müssen uns von der Vor­stellung lösen, dass sich Computer immer auf eine Weise ver­halten, die für uns absolut vorher­sehbar ist“, sagt Grosu. „Wir verwenden Modelle physi­ka­lischer Abläufe, die nie­mals ganz voll­ständig sind, wir haben es mit Sensor­daten zu tun, die immer mit Fehlern be­haftet sind, wir können statt exakter Lösungen oft nur gewisse Wahr­scheinlich­keiten angeben.“

Um mit solchen Unsicherheiten richtig umgehen zu können, muss man in der Program­mierung grundlegend neue Heran­gehens­weisen ent­wickeln. „Wir sind in der Infor­matik heute in einer ähn­lichen Situation wie die Physik vor hundert Jahren“, so Grosu. „Wiener Forscher wie Ludwig Boltz­mann oder Erwin Schrö­dinger zeigten, wie man in der Physik mit Zufall und Un­vor­her­sag­bar­keit um­gehen kann. Heute haben wir in der Infor­matik eine ähnliche Aufgaben zu lösen.“ Wahr­schein­lich­keiten oder deter­minis­tische Gesetze, konti­nu­ier­liche Größen oder diskrete Zustände – wenn man Programm­codes und physische Systeme kombi­niert, muss man auch unter­schied­liche mathe­ma­tische Zugänge sauber mit­ein­ander ver­binden. Forscher wie Henzinger haben dazu das welt­weit gängige mathe­matische Modell der „hybriden Auto­maten“ ent­wickelt.

Cyber-physische Systeme sind nicht dazu da, den Menschen zu ersetzen, sie sollen nütz­liche und höchst zuver­lässige Werk­zeuge für unseren All­tag sein. Viele zu­künftige Heraus­forde­rungen unserer Gesell­schaft werden wir nur durch einen ge­zielten Ein­satz von digi­talen Kommuni­kations­systemen bewäl­tigen können. „Infor­mations- und Kommuni­kations­techno­logien sind zur zentralen Lebens­ader unserer Gesell­schaft geworden“, sagt Helmut Leopold vom Austrian Institute of Techno­logy. „Smarte Pro­duktion und Ver­teilung von Elek­tri­zität, intelli­gente und autonome Verkehrs­systeme, moderne Gesund­heits­dienste wie beispiels­weise Tele­medizin oder Unter­stützung im Alter, Umwel­tmanagement, öffent­liche Sicher­heit und Bewäl­tigung von Natur­kata­strophen, wett­bewerbs­fähige indus­trielle Ferti­gungs­anlagen im globalen Wett­bewerb und vieles mehr – all diese Bei­spiele zeigen ein­drucks­voll, dass die immer enger werdende Ver­bindung zwischen physischer Welt und elek­tronischen Steuer­mecha­nismen völlig neue Chancen für gesell­schaft­liche, als auch unter­neh­merische Ent­wicklungen bergen.“

Am Ende soll ein computertechnologisches Öko­system stehen, das ver­schie­denste Lebens­bereiche durch­dringt. „Wir werden täglich mit tausenden Computer­prozessoren zu tun haben, sie aber kaum bemerken“, glaubt Grosu. Cyber-physische Systeme werden sich genauso reibungs­los in unseren modernen All­tag ein­fügen wie die Regen­­würmer, die unser Garten­beet frucht­barer machen, oder die Bäume im Park, die Staub aus unserer Luft filtern.

TUW / RK

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