Die Mechanik des Winterschlafs
Thermomechanische Eigenschaften von Erythrozyten wohl maßgeblich für die Fähigkeit von Säugetieren zum Winterschlaf.
Die mechanischen Eigenschaften roter Blutkörperchen (Erythrozyten) bei unterschiedlichen Temperaturen spielen möglicherweise eine wichtige Rolle für die Fähigkeit von Säugetieren zum Winterschlaf. Das ist das Ergebnis einer Studie, in der die thermomechanischen Eigenschaften von Erythrozyten bei zwei Fledermausarten und bei Menschen vergleichend untersucht wurden. Mit den gewonnenen Erkenntnissen könnten möglicherweise neue medizinische Behandlungsmethoden entwickelt werden.
Winterschlaf ist bei Säugetieren weit verbreitet, insbesondere bei Fledermäusen, er kommt aber auch bei einigen Primaten vor. In der vorliegenden Arbeit vergleicht das interdisziplinäre Team mit Forschern der Universität Greifswald sowie der Universitätsmedizin Greifswald, der TU Dresden, des Friedrich-Loeffler-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI) und des Deutsches Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) die mechanischen Eigenschaften von Hunderttausenden einzelner Erythrozyten einer überwinternden einheimischen Fledermausart, des Großen Abendseglers (Nyctalus noctula), einer nicht überwinternden Fledermausart, des Nilflughunds (Rousettus aegyptiacus) und von gesunden menschlichen Spendern. Die Daten wurden für Temperaturen zwischen 10 und 37 Grad Celsius erhoben.
Bei allen drei Arten wurden die einzelnen Erythrozyten viskoser (zähflüssiger), wenn die Temperatur der Blutproben von einer normalen Körpertemperatur von 37 Grad Celsius auf eine für den Winterschlaf bei Säugetieren typischen Temperatur von 10 Grad Celsius gesenkt wurde. Das beobachtete Verhalten resultiert aus Eigenschaften der Zellmembran und ist bei beiden Fledermausarten deutlich stärker ausgeprägt als beim Menschen. Interessanterweise kann diese besondere Anpassung bei Fledermäusen nicht nur durch saisonale Schwankungen wie unterschiedliche Ernährung und Umgebungstemperatur erklärt werden.
Menschen sind von Natur aus nicht in der Lage, ihre Körperkerntemperatur wesentlich zu senken, um Energie zu sparen. Aufgrund der vorliegenden Daten wäre es perspektivisch denkbar, Methoden zur pharmazeutischen Veränderung der mechanischen Eigenschaften menschlicher Erythrozyten zu entwickeln, um die Blutzirkulation in künstlich herbeigeführten winterschlafähnlichen Zuständen zu optimieren. Gelänge dies, könnte auch der Traum vom Kälteschlaf bei ausgedehnte Weltraummissionen einen Schritt näher rücken.
U. Greifswald / DE