12.01.2024

Die Milchstraße ist in heißes Gas eingebettet

Weltraumteleskop eRosita kartiert Röntgenstrahlung von Millionen Grad heißem Plasma.

Eine neue Himmelskarte des im Weltraum stationierten Röntgenteleskops eRosita zeigt Strahlung, die von Millionen Grad heißem Plasma in und um die Milchstraße emittiert wird. Bei der Analyse dieser Daten stellte ein Team am MPI für extraterrestrische Physik fest, dass das sehr heiße, ionisierte Gas eine Verteilung ähnlich der stellaren Scheibe aufweist, möglicherweise eingebettet in einen viel größeren kugelförmigen Halo. Damit haben die Forscher neue Erkenntnisse über Form und Größe eines großen Teils des zirkumgalaktischen Mediums der Milchstraße, das ein großes Gasreservoir für die zukünftige Sternentstehung darstellt, gewonnen

Abb.: Die westliche galaktische Hemisphäre im weichen Röntgenlicht.
Abb.: Das Bild zeigt die gesamte westliche galaktische Hemisphäre, die mit eRosita im weichen Röntgenlicht beobachtet wurde. Es zeigt insbesondere die Emission von stark ionisiertem Sauerstoff und gibt damit Aufschluss über die Verteilung des heißen Gases rund um die Milchstraße.
Quelle: J. Sanders, MPE / eRosita

Sterne entstehen aus Gas in einem Prozess, der sich sowohl aus ursprünglicher kosmischer Materie als auch von recyceltem Gas früherer Sterngenerationen speist. In Spiralgalaxien wie der Milchstraße gibt es jedoch einfach zu viele Sterne und nicht genug sichtbares Gas, um das derzeitige Niveau der Sternentstehung über lange Zeit aufrechtzuerhalten. Daher gehen Astronomen davon aus, dass ein großes Gasreservoir über die gesamte Galaxie existiert, dessen Größe möglicherweise zehnmal so groß ist wie der Durchmesser der Sternscheibe.

Details über Form, Größe und Menge an Materie in diesem zirkumgalaktischen Medium sind jedoch umstritten, denn sie sind durch Beobachtungen nur schlecht zu erfassen. Klar ist, dass das Gas im zirkumgalaktischen Medium bisher weder mit optischen noch mit IR- oder Radioteleskopen nachgewiesen werden konnte. Daher muss das meiste Gas im zirkumgalaktischen Medium sehr heiß sein und eine sehr geringe Dichte aufweisen. Aufgrund der hohen Temperaturen müsste das Gas Röntgenstrahlung aussenden, die aber wegen der geringen Dichte sehr schwach sein muss – schwächer als das, was bisher beobachtet werden konnte. Ein deutliches Merkmal, das die Existenz eines solch dünnen, heißen Gases bestätigt, sind Emissionslinien hochionisierter Sauerstoffatome, die im Röntgenlicht zu beobachten sind.

Das eRosita-Teleskop hat nun zum ersten Mal den Himmel nach weicher Röntgenstrahlung abgesucht. Die daraus resultierende Karte der gesamten westlichen galaktischen Hemisphäre wurde am MPI für extraterrestrische Physik erstellt und überprüft. „Die Karte zeigt nicht nur, dass um uns herum überall heißes Gas existiert, sondern liefert auch genügend Details, um seine Struktur viel genauer zu erforschen als je zuvor“, sagt Team-Mitglied Xueying Zheng. Und ihr Kollege Nicola Locatelli ergänzt: „Wir sehen die O VIII-Emission aus allen Richtungen des weichen Röntgenhimmels. Das bestätigt die diffuse Beschaffenheit des heißen Gases, und wir können jetzt sogar untersuchen, wie es sich um uns herum verteilt.“

Das Team fand insbesondere heraus, dass die Geometrie des Gases durch zwei Komponenten beschrieben werden kann: einen sehr großen, mehr oder weniger kugelförmigen Halo und eine nähere Komponente, die der stellaren Scheibe ähnelt. Der heiße Halo ist etwa viermal so groß wie die optische Größe der Milchstraße, und die nahe Komponente reicht bis zur Größe der „dicken Scheibe“ der Milchstraße. Aufgrund seines enormen Volumens umfasst der heiße Halo den größten Teil der Masse – aber die nähere scheibenförmige Komponente erzeugt die meisten der von eRosita beobachteten Photonen, sie ist etwa zehnmal heller als der Halo.

Im Prinzip lässt sich die hohe Temperatur des Gases durch die Energie erklären, die durch Supernova-Explosionen aus der Scheibe der Milchstraße in das zirkumgalaktische Medium injiziert wird. In einem alternativen Szenario wird Rohmaterial aus noch weiter entfernten Regionen, dem intergalaktischen Medium, zugeführt. Dieses wird während des Einfalls erhitzt und bildet so den sphärischen Halo.

Ein wichtiger Aspekt der neuen Studie ist die Entfernung, in der der größte Teil der Strahlung beobachtet wird, nämlich einige Kiloparsec von der Sonne entfernt. Diese relative Nähe spricht für das Szenario der Supernova-Explosionen als Ursprung des heißen Gases. Das bestätigt auch Theorien zur Galaxienentwicklung, wonach das Gas in der Sternscheibe selbst recycelt wird. In Kürze werden hochmoderne Röntgenspektrographen in der Lage sein, die Radialgeschwindigkeit dieses Gases zu bestimmen. Sie können so die Kartierung der Gesamtgeometrie des heißen Gases ergänzen und die Modelle für die Entstehung und Entwicklung von Galaxien weiter verfeinern.

MPE / RK

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