11.12.2015

Die richtige Mischung

Neues optisches System ermöglicht schnelle Bestimmung des Phasenverhaltens von Mischungen.

Mehrkomponentige Materialien wie beispielsweise Polymer­mischungen zu entwickeln, war bislang mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden. Denn dazu muss das Mischungs­verhalten in Abhängigkeit von der Temperatur bekannt sein und die nötigen Phasen­diagramme sind zu ermitteln. Das bedeutet: Es muss eine Vielzahl unterschiedlicher Mischungen präpariert und für jede dieser Mischungen die Phasen­über­gangs­temperatur bestimmt werden. Um dieses umfangreiche Prozedere zu vereinfachen und zu beschleunigen, haben das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF und die Universität Jena eine Hochdurchsatz-Methode zur schnellen Bestimmung des Phasenverhaltens von Polymermischungen entwickelt. Initiiert hatte das Projekt der Reifen­hersteller Michelin beim Dutch Polymer Institute (DPI). Die entwickelte Methode war zunächst für Gummimischungen ausgelegt, ist jedoch weit darüber hinaus anwendbar. Das System zur Hoch­durch­satz-Kleinwinkel­licht­streuung wurde für den Einsatz in Industrie­labors entwickelt und lässt sich auf besondere Bedürfnisse der Anwender konfigurieren.

Abb.: Schema des Messaufbaus (Bild: Fh.-LBF)

Im Rahmen des Forschungsvorhabens entwickelte das Fraunhofer LBF eine Hoch­durchsatz-Licht­streu­anlage sowie die dazugehörige Mess- und Aus­werte­software, mit der sich die Phasenübergangstemperaturen einer sehr großen Probenzahl parallel ermitteln lassen. Anlage und Mess­methodik stehen für Kunden am LBF zur Verfügung. Die Universität Jena beschäftigte sich mit der Proben­präparation mittels Synthese- und Pipettier­robotern.

Die Proben befinden sich in der neuartigen Anlage in einer Mikro­titer­platte mit bis zu 96 Näpfchen oder werden auf einem flachen Glasträger appliziert. In einem Ofen mit Inertgas­spülung lassen sich auf- und absteigende Temperaturrampen mit den Proben fahren. Phasen­umwandlungen wie Mischen und Entmischen, aber auch Kristallisations­vorgänge, werden sehr sensitiv mittels Klein­winkel­licht­streuung festgestellt. Hierfür sind in den Ofenwänden Quarz­glas­fenster gegenüber der Unter- und Ober­seite der Titerplatte eingelassen. Als Lichtquelle dient ein Laser, und eine spezielle Detektions­optik erfasst das Streumuster. Durch die Bewegung des Lasers und der Detektions­optik werden die Näpfchen der Titerplatte kontinuierlich nacheinander abgerastert.

Aus den während einer Temperaturrampe für Mischungen verschiedener Zusammen­setzungen aufgenommenen Licht­streu­bildern lässt sich schließlich ein Phasen­diagramm erstellen. Aus der Intensitäts­verteilung im Streumuster lässt sich darüber hinaus auf die Phasen­struktur schließen: Ein Streumuster mit radialer Intensitäts­verteilung mit vom Zentrum aus abfallender Intensität weist auf einzelne runde Tropfen hin, während eine ringförmige Intensitäts­verteilung eine co-kontinuierliche Struktur wiederspiegelt.

Abb.: Zusammenhang von Streumuster und Domänenmorphologie (Bild: Fh.-LBF)

Die neue Methode ist nicht nur für Polymersysteme anwendbar. Auch andere Material­klassen beziehungsweise Formulierungen zeigen Temperatur- und zusammensetzungs­abhängiges Mischungs­verhalten. Dazu gehören Rezepturen für Klebstoffe, Lacke oder Beschichtungen. Mögliche weitere Anwendungen sehen die LBF-Wissenschaftler in der Bestimmung des Phasenverhaltens bei der Entwicklung von Wirkstoff­formulierungen im pharmazeutischen Bereich oder von Mischungen in der Kosmetik- und Lebens­mittel­industrie. Auch Anwendungen in der medizinischen Diagnostik sind denkbar.

Neben Phasen­diagrammen lässt sich die Ausbildung von festen Phasen aus einem anfänglich flüssigen System beobachten. Dies findet zum Beispiel während der Trocknung von Lacken oder während der Kristallisation aus der Lösung oder Schmelze statt.

Fh.-LBF / DE

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