09.02.2018

Die Skijacke, die Schweiß aktiv entsorgt

Elektroosmotische Textilien halten Sportler warm und trocken.

Damit der Körper beim Wintersport angenehm warm und trocken bleibt, ist leistungs­fähige Klei­dung gefragt. Die Ansprüche an der­artige Texti­lien sind dabei hoch, schwitzt doch ein Mensch beim Ski­fahren allein am Ober­körper bis zu einen Liter pro Stunde. Eine neue Techno­logie, an deren Entwick­lung die Empa maß­geblich beteiligt ist, trans­por­tiert die sich in Kleidung stauende Feuch­tig­keit aktiv nach außen. Möglich ist dies, weil hauch­dünne Schichten aus Gold im Gewebe unter Strom stehen.

Abb.: Heißer Spaß in der eisiger Kälte: Neu­artige Funktions­kleidung sorgt auch bei starker Trans­piration für ein ange­nehm warmes und trockenes Mikro­klima. (Bild: Marcin Wiklik/iStock)

Der Mensch ist ein gleich­warmes Tier. Wird es ihm zu heiß, regu­liert er die Körper­temperatur herunter. Möglich ist das durch eine evolu­tionär gereifte „Klima­anlage“ in unserer Haut: die Schweiß­drüsen. Doch die Evo­lution wusste noch nichts vom Winter­sport, und so kommt unser Wärme­haushalt ins Schleudern, wenn wir uns beim Ski­fahren gegen eisige Kälte schützen wollen und gleich­zeitig unge­hindert schwitzen sollten. Eine Techno­logie, die an der Empa in St. Gallen in Zusammen­arbeit mit der Thalwiler Firma Osmotex und weiteren Industriepartnern entwickelt wurde, soll nun Sportler warm und trocken halten – dank Textilien unter Strom.

Wichtiger Bestandteil der „Hydro_Bot“- ­Technologie ist ein Prinzip, das es beispiels­weise Pflanzen ermöglicht, Wasser aus dem Boden über ihre Wurzeln ein­zu­saugen: die Osmose. Bei der neu­artigen Sport­kleidung wird dieses Prinzip durch das Anlegen einer Span­nung von rund 1.5 Volt noch be­schleu­nigt. Damit mittels Elektro­osmose Flüssig­keit vom Inneren der Kleidung aktiv nach außen trans­por­tiert wird, kommt eine lediglich 20 Mikrometer dünne Kunst­stoff­membran zum Ein­satz, die mittels Plasma­beschich­tung beid­seitig von Edel­metall über­zogen ist. Dazu wird knapp 0,2 Gramm Gold pro Skijacke eingesetzt, was Ein­fluss auf den Preis der Membran hat. Gold hat sich jedoch im Ver­gleich zu silber­beschich­teten Elek­troden als deut­lich halt­barer erwiesen.

Abb.: Die elektroosmotische Membran transportiert Flüssigkeit aktiv an die Aussenfläche (schwarz). (Bild: Osmotex)

Wird eine elektrische Spannung an die Mem­bran angelegt, wandern Salz-­Ionen – und mit ihnen die sie umge­bende Flüssig­keit – durch winzige Poren in der Mem­bran auf die Außen­seite, von der sie sozu­sagen elek­trisch ange­zogen werden. Dazu ist die Membran mit einer herkömm­lichen Knopf­zell­batterie aus­gerüs­tet, die je nach Wetter­lage und Körper­akti­vität ein­ge­schaltet werden kann. „Auch ohne Strom gelangt Flüssig­keit durch die Membran. Sobald eine elek­trische Spannung angelegt ist, steigert sich der Pump­effekt jedoch deutlich“, sagt Empa-­Forscher Dirk Hegemann von der Abteilung „Advanced Fibers“. Rund 10 Liter Flüssig­keit kann die Membran per Elektro­osmose so pro Quadrat­meter und Stunde abpum­pen.

Für das fertige Produkt wurde die elektro­osmo­tische Membran inner­halb verschie­dener funktio­naler Schichten in eine Ski­jacke inte­griert. „Dank unserer neuen physi­kali­schen und nume­rischen Modelle konnten wir den tex­tilen Aufbau der Hydro_Bot-­Techno­logie opti­mieren“, erklärt Simon Annaheim von der Ab­tei­lung „Bio­mi­metic Mem­branes and Tex­tiles“.

Dass dieses Wirk­prinzip nicht nur physi­kalisch funktio­niert, sondern auch den physio­logi­schen Ansprü­chen des mensch­lichen Körpers entspricht, zeigten Expe­ri­mente in der Empa-­Klima­kammer. Hier simuliert die ana­to­misch geformte Schwitz­puppe SAM (Sweating Agile thermal Manikin), wie sich der mensch­liche Körper bei sport­licher Betätigung verhält. SAM bewegt sich, heizt sich auf und stößt durch 125 Düsen genau defi­nierte Mengen an Flüssig­keit aus. „SAM und die Daten, die er uns lieferte, ermög­lichten es, den Trage­komfort und die Funktio­nalität von Hydro_Bot-­Klei­dung objektiv zu analy­sieren“, so Annaheim.


Abb.: Erstmals war ein Prototyp der elektroosmotischen Skijacke auf der internationalen Sportmesse ISPO in München zu bewundern. (Bild: Osmotex)

Der Industriepartner Osmotex erwartet, dass Jacken mit Hydro_Bot-­Techno­logie zur Saison 2018/19 auf den Markt kommen. Beteiligt an der Weiter­entwicklung der Techno­logie sind neben der Empa der schweize­rische Sport­be­klei­dungs­her­steller KJUS und das Schweizer Textil­unter­nehmen Schoeller. Bestaunen ließ sich ein Proto­typ einer elektro­osmo­tischen Jacke bereits Ende Januar auf der inter­natio­nalen Sport­messe ISPO in München, wo ihn Osmotex erst­mals öffent­lich präsen­tierte.

Empa / LK

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