07.10.2022 • MedizinphysikBiophysik

Die Strömungsgeschwindigkeit im Verdauungssystem

Physikalischer Mechanismen der Selbstregulation des Darms aufgedeckt.

Der menschliche Darm ist etwa sieben Meter lang. Es dauert ungefähr acht Stunden, bis die Nahrung während der Verdauung den Dünndarm passiert hat. In dieser Zeit werden die Nährstoffe aus der Nahrung durch die vergrößerte Oberfläche des Darms absorbiert. Gleichzeitig nehmen nützliche, an der Verdauung beteiligte Bakterien im Darm Nährstoffe aus der passierten Nahrung auf. Forscher des MPI für Dynamik und Selbst­organi­sation und der TU München konnten jetzt zeigen, dass Nährstoff­aufnahme und Bakterien­zahl direkt an die Strömungs­geschwin­dig­keit im Darm gekoppelt sind: Bei hohen Geschwindig­keiten wird das Bakterien­wachstum eingedämmt, gleich­zeitig verschlechtert sich aber auch die Nährstoff­aufnahme in den Darm. Im Gegensatz dazu kann eine niedrige Fließ­geschwin­dig­keit die Nährstoff­aufnahme verbessern, begünstigt aber auch ein über­mäßiges Bakterien­wachstum, was auf Dauer für das Verdauungs­system schädlich sein kann.

Abb.: Die Fließ­ge­schwin­dig­keit im Darm regu­liert die...
Abb.: Die Fließ­ge­schwin­dig­keit im Darm regu­liert die Nähr­stoff­auf­nahme und das Bak­te­rien­wachs­tum. In einem kom­plexen Rück­kopp­lungs­mecha­nis­mus kann der Darm die Strö­mungs­ge­schwin­dig­keit in Ab­hän­gig­keit von der Nähr­stoff­ver­füg­bar­keit re­gu­lie­ren. (Bild: S. Gabrielli, MPI-DS)

Die Wissenschaftler haben zum ersten Mal die komplexe Dynamik zwischen Nährstoff­aufnahme, Strömung und Bakterien­wachstum aufgezeigt. „Unser Mausmodell zeigte, dass bei einer bestimmten Fließ­geschwin­digkeit eine optimale Nährstoff­aufnahme erreicht wird, während bei einer anderen Fließ­geschwin­digkeit optimale Bakterien­zahlen erreicht werden", erläutert Karen Alim vom MPI-DS und der TU München.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Darm zwischen diesen verschiedenen Fließ­geschwin­dig­keiten wechselt, um die Nährstoff­aufnahme und den Bakterien­gehalt zu regulieren. Das ist abhängig von der Nahrungs­aufnahme oder dem Fasten und dem erreichten Bakterien­gehalt im Darm", ergänzt ihre Kollegin Agnese Codutti. Auf diese Weise beein­flussen die Nährstoffaufnahme und die Bakterien­konzen­tration auch umgekehrt die Regu­lierung des Darm­flusses.

Was aber passiert, wenn der Darm nicht richtig funktioniert? Jede Störung des Darm­flusses und der Rück­kopplungs­mechanismen kann zu einem über­mäßigen Bakterien­wachstum führen. Das könnte schwer­wiegende Folgen für die Gesundheit haben und zu chronischer Müdigkeit, Kopf­schmerzen, schlechter Nährstoff­aufnahme und Blähungen führen. Die neuen Erkenntnisse liefern wichtige Einblicke in die Mechanismen, die diesen Krank­heiten zugrunde liegen. Sie können so dazu beitragen, eine gesunde Darmflora zu erhalten.

MPI-DS / RK

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