Wichtige biologische Abläufe in Zellen nachzubilden und so besser verstehen zu können, ist aktuell ein zentrales Forschungsthema. Nun haben es Physiker der TU München und des Weizmann-Instituts in Rehovot erstmals geschafft, die DNA-Kondensation auf einem Bio-Chip kontrolliert ablaufen zu lassen. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der überall dort eine Rolle spielt, wo DNA-Moleküle sehr dicht gepackt im Körper vorkommen, etwa weil sie durch räumliche Gegebenheiten auf ein kleines Volumen begrenzt sind.
Abb.: Labyrinth aus kondensierten DNA-Molekülen (Bild: G. Pardatscher, TUM)
Im Zellkern ist das genauso der Fall wie in der Protein-Hülle eines Virus oder im Kopf eines Spermiums. Das Phänomen ist auch physikalisch interessant, weil es eine Art Phasenübergang darstellt. Die DNA-Doppelstränge, die sich normalerweise aufgrund ihrer negativen Ladung gegenseitig abstoßen, sind dann ganz eng zusammengepackt. „Im verdichteten Zustand sind sie beinahe kristallin angeordnet“, sagt TU-Professor Friedrich Simmel.
Dem internationalen Team um Simmel und seinen israelischen Kollegen Roy Bar-Ziv gelang es, Tausendstel Millimeter, also mehrere tausend Basenpaare lange DNA-Moleküle möglichst dicht an verschieden breite Nano-Strukturen auf einem Chip zu binden. Dies sieht ein bisschen so aus, als hätten die Forscher winzige Härchen auf die Chipoberfläche transplantiert.
Aufgrund ihrer negativen Ladung stießen sich die DNA-Moleküle zunächst ab, was wirkte, als würden einem die Nano-Härchen zu Berge stehen. Gaben die Forscher nun ein Mittel namens Spermidin hinzu, dessen Moleküle mehrfach positiv geladen sind, startete der Kondensationsvorgang. Die zuvor eher aufrecht stehenden DNA-Fäden fielen in sich zusammen, einer nach dem anderen sank zielgerichtet entlang der dünnen Strukturen auf den nächsten.
Das ist wie eine Domino-Kaskade im Nanoformat. Das Resultat waren dicht übereinander liegende DNA-Moleküle, so eng gepackt, wie sie eben auch in Zellkernen vorkommen. Alle DNA-Moleküle lagen entlang der vorgegebenen Pfade. „Das ist ein ganz dramatischer Vorgang“, sagt Simmel. „Die DNA wird schlagartig in eine Richtung gebündelt.“
Kondensation und Dekondensation, also das erneute Entpacken der DNA-Stränge, spielen beispielsweise bei der Genexpression eine wichtige Rolle. Sind die DNA-Moleküle dicht gepackt, lässt sich beispielsweise die in ihnen gespeicherte Information nicht auslesen.
Die Forscher haben so einen weiteren Baustein, um auf Chip-Oberflächen gezielt künstliche Zellen herstellen und mit all ihren Phänomenen studieren zu können. „Es ist denkbar, Zell-ähnliche Systeme mit dicht gepackter DNA auf einem Chip zu realisieren“, sagt Simmel. Die DNA-Kondensation könnte dann dazu dienen, die Gen-Expression und das Kopieren von Gen-Informationen in so einer künstlichen Zelle besser steuern zu können.
Prinzipiell ist es auch möglich, die dicht gepackten DNA-Moleküle dazu zu nutzen, auf solchen Biochips gezielt Signale und Informationen über eine Art Leiterbahn weiterzugeben und zu verteilen. Kondensation und Dekondensation ließen sich dabei wie ein An-/Aus-Schalter nutzen und zeitlich gut steuern.
Friedrich Simmel behält neben technischen Anwendungsperspektiven gleichzeitig die Grundlagenphysik im Auge. „Wir wollen auch die Bedingungen des Phasenübergangs bei der Kondensation verstehen“, sagt Simmel. „Dafür haben wir auf dem Chip ideale Bedingungen. Wir können exakt kontrollieren, wo er stattfindet und wie schnell er passiert.“
Das sei so ähnlich wie bei einem unterkühlten Wasser oder Bier im Eisfach, wo die Flüssigkeit auch von einem Kristallisationskeim ausgehend ab einem bestimmten Punkt schlagartig kristallisiere und das Eis wachse. Nur steuert hier nicht die Temperatur den Phasenübergang, sondern die Konzentration der positiv geladenen Moleküle.
TUM / DE