Doppelstern DI Herculis: Rätsel gelöst
Seit drei Jahrzehnten verwirrte die unerklärliche Präzession des Perizentrums des Systems die Astrophysiker - und stellte die Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie in Frage
Die Erklärung der Periheldrehung des Planeten Merkur war eine der großen Erfolge der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins. Und auch die Apsidendrehung bei Doppelsternen ist im Allgemeinen in guter Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen. Einzig der enge Doppelstern DI Herculis fällt aus dem Rahmen: Bei ihm beträgt die beobachtete Präzession des Perizentrums nur ein Viertel des vorhergesagten Wertes. Seit drei Jahrzehnten verwirrt DI Herculis nun schon die Astrophysiker - und sorgte in den 1980er Jahren sogar für Spekulationen über ein Versagen der Relativitätstheorie. Nun jedoch hat ein internationales Forscherteam das Rätsel um DI Herculis gelöst: Die Rotationsachsen der beiden Sterne liegen nahezu in der Bahnebene des Systems. Dieses ungewöhnliche Arrangement beeinflusst die Umlaufbahnen und führt so zu der Abweichung von den theoretischen Vorhersagen.
Abb.: Schematische Darstellung der Apsidendrehung. (Bild: Rainer Zenz, Wikipedia Commons)
Die Allgemeine Relativitätstheorie beschreibt die Gravitation als Deformation der Raum-Zeit. Im Gegensatz zur klassischen Schwerkraft-Theorie Newtons führt die Relativitätstheorie insbesondere bei einer engen Umlaufbahn dazu, dass die Bahn keine geschlossenen Ellipse bildet, sondern eine rosettenförmige Struktur besitzt: Die relativistischen Präzession führt zu einer Drehung der Bahnachsen um das Perizentrum.
Allerdings können noch weitere Einflüsse zu einer solchen Apsidendrehung führen: die Anziehungskraft weiterer Körper in einem System etwa oder die ungleichmäßige Kraftwirkung im Falle einer starken Abplattung des Zentralkörpers. Bislang waren jedoch alle Versuche, die Abweichungen bei DI Herculis mit diesen Einflüssen zu erklären, ohne Erfolg - weitere Objekte in dem System wurden nicht entdeckt und die Abplattung der Sterne reicht nicht aus, um die große Diskrepanz zu erklären.
Simon Albrecht von der Sternwarte Leiden und seine Kollegen zeigen nun, warum die bisherigen Erklärungsversuche gescheitert sind. DI Herculis ist ein enger Doppelstern, und für solche engen Doppelsterne gehen die Astronomen ganz selbstverständlich davon aus, dass die Rotationsachsen der Sterne nahezu senkrecht auf der Bahnebene des Systems stehen. Das ist jedoch nicht der Fall, wie die hoch präzisen spektroskopischen Messungen von Albrecht und seinem Team zeigen: Hier sind die Rotationsachsen um etwa 90 Grad gekippt und liegen damit nahezu in der Bahnebene. Die Abplattung der Sterne führt in dieser Stellung, wie Albrecht und seine Kollegen berechnet haben, zu einer der relativistischen Präzession genau entgegen gerichteten Drehung der Umlaufbahn.
Beide Effekte zusammen ergeben eine Apsidendrehung, die gut mit den beobachteten Werten übereinstimmt. "Wir betrachten das Geheimnis um die anomale Präzession von DI Herculis damit als gelöst", konstatieren die Forscher. Offen bleibt allerdings die Frage, warum die Sterne von DI Herculis so seltsam rotieren. "Es erscheint unwahrscheinlich, dass die Sterne bereits in diesem Zustand entstanden sind", so die Astronomen. Da die Sterne mit etwa fünf Millionen Jahren astronomisch gesehen jung sind, ist andererseits die Zeitspanne kurz, in der beispielsweise der Einfluss eines dritten Sterns die Bahnen in die heutige Form gebracht haben könnte.
Der Doppelstern bleibt mit dieser offenen Frage also auch weiterhin ein spannendes Beobachtungsobjekt für die Astronomen.
Rainer Kayser
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